Der bekehrte Plinius Plinius der Jüngere spricht: Wenn die Narren tanzen wollen, Hindert sie der Weise nicht, Doch entflieht er ihrem Tollen In ein abgelegnes Haus, Zieht sich seine Toga aus Und verfertigt ein Gedicht, Das von jenen Pfaden handelt, Drauf der stille Denker wandelt, Hell umstrahlt vom eignen Licht. Ganz so unrecht hat er nicht, Dieser jüngre Plinius. Manchmal ist es kein Genuß, Dort zu sein, Wo das Bein Tanzt, bloß weil es tanzen muß. Zum Beispiel, wo der Leutenant Zum Regimentsmusikgetöse Die Taille der Frau Kommandöse Mit pflichtergebnem Arm umspannt; Oder wo, Bloß so so, Der Staatsanwaltschaftssubstitut Fröhlich tut, Weil der Anstand es erfordert, Da zum Tanzen er beordert, Und die saure Lippe man Dabei nicht verwenden kann; Oder auch, Wo der Bauch Des beleibten Handelsmanns Sich im Tanz Widerwillig dreht und schwenkt, Weil ihn die Erwägung lenkt, Daß von eines Kunden Gnaden Er zum Hausball ist geladen. Bei solcherlei Gelegenheit Bleibt der Weise lieber weit Weg vom Schuß nach Plinii Junioris Theorie; Denn beim Zeus, Es ist scheußlich und übel anzusehn, Wo sich so Mal apropos Tänzersohlen, Die befohlen, Auf dem Pflichtparkette drehn. Mühsal mahlt im Mühlentakte, Klipp und klapp, Das vertrackte Pensum ab; Selbst des Walzers holde Töne Werden schleppend zum Gestöhne, Das zum Himmel schluchzt und schreit: Welche Niederträchtigkeit! Aber nun, o Plinius, Hör, was ich dir sagen muß: Steig aus deiner Toga Falten, Schmücke dich mit Lack und Claque, Laß dich (Mut, Mann!) mißgestalten Durch den zwiegeschwänzten Frack! Triste scheint zwar die Montur, Doch das ist von außen nur. Und nun komm, ich will dich leiten, Wie den Dante einst Virgil, Aber nicht in Höllenbreiten, Sondern mitten ins Gewühl Ausgelaßner Lustbarkeiten, Wo das Leben sich im Spiel Tanzend einmal wirklich regt, Wie das Herz den Takt ihm schlägt. Denn gewöhnlich sind wir heute So in Ernst getunkte Leute, Daß des Lebens heitres Ziel Unserm düstren Blick entfiel. Aber ganz ists nicht versunken, Manchmal lassen wir der Unken Dumpf Geläute überschrein Von des Frohsinns Melodein. Und wir tanzen wie besessen Ins verlorne alte Land, Das wir beinah schon vergessen, Wie die Kinder Hand in Hand, Und im Aneinanderpressen Fühlen wir: gottlob, der Brand, Der schon im Verglimmen schien, Kann noch helle Flammen schlagen, Wenn der Freude Melodien Sturm in unsre Seelen tragen. Sieh, wie reg die Brüste gehn Unsrer Mädchen, unsrer Frauen, Sieh, wie ihre Augen glühen, Wie die schwarzen, braunen, blauen Helle, heiße Blitze sprühen! Hast du Schönres je gesehn? Gerne möchte was entgegnen Dieser alte Klassiker, Doch da springt mit höchst verwegnen Sprüngen eine Tänzrin her; Lange braune Ringelhaare Schweben ihr ums Angesicht, Dem zwei liebe braune klare Augen Leben sind und Licht; Rot und golden ist das Mieder, Rot und golden sind die Schuh, Aber um die schlanken Glieder Knistert gelbe Seide nieder Allerfeinsten Knöcheln zu, Wo Juponvolantgefieder Rüschenüppig raunt frou-frou. Und es faßt Herrn Plinium Diese holde Tänzrin um. Zwar er sagt: »Ich kann nicht tanzen«, Doch sie sagt: »Es wird schon gehn«, Und schon seh des Röckchens Fransen Ich um seine Schöße wehn. Marmelsteinern, Elfenbeinern Sieht man bald von ferne her Seiner Glatze Kugel leuchten, Wie des Seehunds runden feuchten Schädel aus bewegtem Meer. Und sie regt sich Und bewegt sich, Und sie rötet sich im Tanz. Jetzo hier und jetzo dorten, Wirft sie balde allerorten Ihren roten Vollmondglanz. Mittendrin im Walzerschwall, Plinius ist überall; Hier jetzt, da jetzt, Fern jetzt, nah jetzt, Schöße hoch und Beine reg, Plinius macht seinen Weg; Schleifer, Dreher, Hopser, Steher, Welche Schikanen Auf Walzerbahnen Je man ersann, Kann dieser Mann. Fast wird mir schwindlig bei dem Gedreh. »Heda, he, Plinie! Tun dir nicht endlich die Beine weh? Halte doch an!« – »Keine Idee! Noch eine Runde rum! Links herum, rechts herum!« – Schon ist er fern! Hat man seine Not mit den Klassikern! Endlich ist der Tanz vorbei, Und es setzen sich die zwei, Aber so: Der Domino Auf den Schoß dem Plinio. Und der alte Römer spricht: Wenn die Frohen tanzen wollen, Hält sich auch der Weise nicht Fern von ihrem schönen Tollen, Sondern geht mit in das Haus, Wo in Trubel und Gebraus Leben selbst wird zum Gedicht, Das von jenen Pfaden handelt, Drauf sich Lust in Weisheit wandelt Und die Düsternis in Licht.