Zwei Künstlerinnen Die heilige Cäcilie versteht sich, wie man weiß, Sehr wohl auf das Harmonium Und spielt dem lieben Gott zum Preis Sehr schön darauf herum. Doch ist sie mehr des Zarten froh Und liebt das Pianissimo Und schmelzende Andante, Weil sie, wie jede Künstlerin, Mit feinem und erfahrnem Sinn Erkannte: Dies enchantiert mein Publikum, Engel und Anverwandte. Bellona hörte lange schon Der Hymnen und Choräle Ton Mit vielem Mißbehagen. Darum begann Sie dann und wann Die Pauke schon zu schlagen. Bald war sie dort, bald war sie da Mit ihrer groben Musika. Seis auf den Philippinen, Seis in Südafrika, Wo sie mit frohen Mienen Schon viele Hörer sah. Jedoch, das Rechte ward es nie. Bellona zog die Stirne kraus Und murmelte verdrießlich: So eine kleine Sinfonie Kann schließlich Auch Doktor Richard Strauß. Ich brauch noch viel mehr Blech und Krach, Bei dem Gewimmer wird mir schwach; Oh, hätt ich Massen, Massen, Mein ganzes Seelenungestüm In einem Fugenungetüm Gewaltig loszulassen. Indessen zog Cäcilia Mit Inbrunst die Harmonika Und fand (bei ausverkauftem Haus) Auf Himmel und Erden viel Applaus, Wobei der Zar Der allerbegeistertste Klatscher war. Das wurmte Bellonen, Es ist nicht zu sagen, Wie sehr. Sie schleppte Kanonen Und Pulverwagen Daher. Und prüfte die Zünder Und putzte die Schlünder Und fand: Es war das Orchester Der Monsterballester Im trefflichsten Stand. Und blies dem Zaren ins Ohr: Du Tor! Was sitzst du im Parkette Und lauschst den Säuselein Von Geigen und Schalmein Der himmlischen Motette! Dabei schläfst du noch ein, Und könntst doch selbst der Geister Lebendigster Töne-Meister: Der Welt-Kapellenmeister sein. Das ist das Amt des Zaren! Die ehmals der Tataren Blutge Bezwinger waren, Sind deine Ahnen, Zar! Du sollst, wie sie, dich strecken, Ostwärts die Pranken recken, Ganz Asien soll bedecken Mit seinem Flügelpaar Moskowiens Doppelaar. Es ist bei den Mongolen Noch viel für dich zu holen; Doch wird es dir gestohlen, Greifst du nicht hurtig zu, Von gelben Hundehorden, Die schon zu frech geworden, Weil du in Mollakkorden Versinkst zu fauler Ruh. Auf, auf! Es gilt à tout. Zar Nikolaus der Gute, Der hörte das nicht gern, Es wurde weh zumute Dem zartgemuten Herrn; Er dachte an den stillen Haag, Wo man mit delikaten Reden, von ihm geladen, Der Frage des ewigen Friedens pflag. Indessen, wenn er auch privat Dem Ideale huldigt, Es weiß der Zar, was er dem Staat Als Landesvater schuldigt. Man kann nicht immer, wie man mag. Sein Herz blieb freilich in dem Haag (Und wird dort ewig, ewig bleiben), Doch sein Verstand, Der hat erkannt, Wo jetzt der Hase im Pfeffer lag, Und daß durchaus es nötig sei (Hauptsächlich von wegen der Mandschurei), Die gelben Hunde zu Paaren zu treiben. Und lehnte mit gesenktem Schädel Den schönen Friedenspalmenwedel In eine stille Ecke, wo Baronin Suttner täglich ihn Einstäubt mit echtem Zacherlin In einem Futterale von dickem Kaliko. Bellona aber, toll vor Freude, fuhr Auf einem feurig roten Wolkenballen Zum Fluß Amur, Nahm einen Tannbaum in die Greifenkrallen, Taucht ihn in Blei und schrieb damit (in Dur Zumeist, wie sich versteht) auf eine Riesenfläche Von Schnee die neue große Partitur Der Sinfonie des Massenmords. Die Bleche Sind nicht darin gespart, und auch das Schlagwerk nicht. Kanonisch baut sich auf das furchtbare Gedicht In Tönen, die den Erdball beben machen Und selbst des Himmels Donner überkrachen, Geschweige denn Cäciliens Litanein. Die stellt das Spielen jetzt wohl eine Weile ein.