Ernte (Für meinen lieben Liliencron.) Sonnengießen durch den Tag, Wellenhoch im fröhlichen Schlag Geht mein Herz, es schaukelt leise Eine Wiener Walzerweise. Sensenschwung und Sichelschnitt, Grün und gelb fällt Gras und Aehre, Meine Freude erntet mit: Segenschwere! Segenschwere! Unter einem Lindenbaum, Auf des weißen Kirchleins Hügel, Ruht ich aus; da hub mein Traum Surrend die Libellenflügel: Steht ein Feld im Korne schwer, Schwankt in goldnem Ueberschwange, Früchtefroh und reifebange, Trocken rauschend hin und her. An des Segens goldnem Rand, Wo des Himmels Blau sich breitet, Eine Sense in der Hand, Eine Bauerndirne schreitet. Weit aus, wuchtig ist ihr Schritt, Ueberhäupten ihr der Stahl Lacht in huchig hellem Glitzen; Schnell im Schwung mit einemmal Seh ichs durch die Bläue blitzen, Und die Magd beginnt den Schnitt. Bogenhalb dreht sich ihr Leib, Bogenweit greift aus das Eisen, Näher, näher kommt das Weib Hinter breitem Messerkreisen. Langsam rührt mit steter Kraft Sie der schweren Sense Schaft. Brach schon dehnt sich Stoppelleere. Wo rauschgolden sich die Aehre In des Windes Wehn gewiegt, Sterbestarr das Leben liegt. Näher, näher kommt sie her, Auf die Seele fällt mirs schwer. Augen zu. Ich höre den Schnitt, Und ein Klagen hör ich mit Von Millionen Sterbequalen. Stille dann. Scheu schau ich hin: Ruhend steht die Schnitterin Unter Abendsonnenstrahlen. Von des vollen Goldes Rot Einen Augenschein umloht, Dann im letzten, hellen Licht, Umrißschwarz ... Bist du der Tod!? Klar blickt sie mir ins Gesicht, Gütig, groß und mütterlich, Wendet in die Helle sich; Geht. Sie überwächst den Schein, Dunkel bricht von ihr herein. Wo rauschgolden sich die Aehre In des Windes Wehn gewiegt, Sterbestarr das Leben liegt. Allhin dehnt sich Stoppelleere.