Epistel von meinem Glücke (An Detlev Liliencron.) Schreiben muß ich im Tanztakt, Lieber, Tanzen muß ich die Feder lassen, Denn ich bin glücklich. Hätt einen Hengst ich, ich ließ ihn satteln Ueber die nächtigen Felder ritt ich, Söge die Sommerluft im Trabe, Riefe ins Dunkel der Nacht mein Glück. Aber kein Reitroß steht mir im Stalle, Nur einen klapprigen Klepper hab ich, Jenen berüchtigten, gansflügelruppigen, Vielgeschundenen, flechsenverdehnten, Durchgesessenen, hinterhandhinkenden, ὠποποι, ὠποποι: Pegasus. Den nun lasse ich vor dir tanzen, Wie ers vermag, der unglückselige, Schwinge mich ihm auf den dürren Rücken. Vor mich nehme ich: SIE. SIE! Zierlich setzt sie den Fuß in den Bügel, Greift in die alte, dünnhaarige Mähne, Schwippt mit der Gerte die ledernen Flanken, Hopsa, nun gehts über Stock und Stein. Nein! Bleibe zu Hause mein Hippogryphe, Kaue Vergißmeinnicht von der Raufe, Friß du in Ruhe dein Gnadenbrod. Aber die Feder, die Feder soll tanzen, Singen und sagen will ich mein Glück. Langsam, langsam! Was soll das Tollen. Hübsch gemächlich wähl ich den Takt mir; Will der Trochäus zum Daktylus hüpfen, Nehm ich in Selbstzucht meine Gefühle, Leite mich um in jambischen Trott: Die Sommernacht ist allen Friedens voll, Viel tausend Sterne stehn am Himmelsplan, Und jeden Sternes Augenzwinkerlicht Ist mir ein Gruß aus aller Welten Glück: Die Welt ist glücklich, denn die Welt ist schön, Die Welt ist glücklich, weil ich glücklich bin. Klagt da ein Ruf aus dunkler Ferne her? So komm zu mir, der du in Schmerzen schreist, Schau in mein Herz, da flammt der Liebe Licht, Wärm deine Not an meines Herzens Herd. Komm und sei glücklich, weil ich glücklich bin. Wer murrt da in der Ecke? Schweige, Tropf; Ich kenne dich, du liebst das Eckenstehn, Das aus der Ecke Schielen auf das Glück Und dumpfes Murmeln; schweige, dunkler Geist Der faulen Dumpfheit, die nicht fliegen kann Und neidisch allem Flügelfrohen ist. Du schimpfst das Glück, weil du es nicht verstehst. In Käseblättern schmierst du dich herum Und prahlst auf weithinragender Tribüne, Doch stets geduckt. Ich hör, ich hör dich nicht. Denn ich bin glücklich. Was ist mein Glück? Ein braunes Augenpaar, Ein warmer Druck von einer weißen Hand Und Sehnsuchtsfeuer, das von Lippen glüht, Die meinen Lippen gern Genossen sind, Geschwisterlich in heißem Kuß geeint, Daß ich es bannen könnte, dieses Glück, In einen Vers ausgießen golden klar Und unvergänglich, aller Menschheit Gut. Und doch mein Eigen! Keiner rühre dran! Ich schlag ihn tot, bei Gott, den geilen Hund, Der mir mit frecher Hand mein Glück berührt, Ich schlag ihn tot, den Sonnenfrevler tot! ... Jagt mich mein Glück aus Liebe so in Wut? Macht mich verrückt mein Glück, daß ich umarmen Die ganze Welt in Heilandsgluten möchte Und in Umarmung pressen in den Tod? Dies Glück ist wie Natur: in Liebe grausam, Wollüstig wütend. Oh du grausam Glück! Dich selber möcht ich morden, peinigen, An deinem Sterbezucken mich erfreun, Hinröcheln meinen letzten Atemzug In deinen Tod, – vergehn, vergehn mit dir! Da blick ich in die schöne Sommernacht. Ins Sterneschweigen, in den dunkeln Frieden, Der seine Schleier schlägt um alles Sein. Und ruhig werd ich. Aller Welten Glück Erahn ich wieder, wieder schenkt mein Herz Des stillen Heerdes freundlich liebe Wärme. Als kehrt ich heim von einem heißen Ritt Ist mir zu Mute jetzt. Es hat mich durchgerüttelt. Und mir im Arm liegt sie, so müd, so hold. Gehn wir nun schlafen, Schatz? Ach, wie sie gähnt. Und ihren braunen Augen deckt sich leicht Der schwarzen Wimpern Schutz. Wir gehn zu Bett.