692. Wald Zeitelmoos Zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, nahe dem Fichtelgebirge, streckt sich ein Wald, der heißt der Zeitelmoos, und darinnen liegt der Zeitelmoosweiher, bei dem es, der gemeinen Sage nach, nicht geheuer ist und sich allerlei von Gespenstern dort sehen läßt. Ein berühmter und hochgelahrter Mann ritt eines Abends spät noch durch den Wald, kam am Weiher vorüber, sah auf einem Holzstoß zwei Kinder sitzen, redete diese an, was sie so spät da machten, sie sollten doch nach Hause gehen, darauf begannen beide Kinder überlaut zu lachen, der Mann aber ritt seines Weges weiter; es währte gar nicht lange, so sah er an einer andern Stelle ganz die nämlichen Kinder wieder, und sie lachten auch wieder hellauf. Dem Mann graute – er sprach die Kinder nicht zum zweiten Male an, sondern ritt still vorüber. Ein anderer gelehrter Mann erzählte, daß auch er eines Abends zu Fuße bei Mondschein im Spätherbst am Teich vorüber und die Höhe hinangekommen, und habe zu seiner Auferbauung das geisterquickende Lied gesungen: Himmel, Erde, Luft und Meer, Zeugen von des Schöpfers Ehr’; Meine Seele, singe du, Bring auch jetzt dein Lob herzu. Da habe ihn auf einmal ein dicker schwarzer Nebel umfangen, und er habe ein Geräusch vernommen, als ob Reiter um ihn herumtrabten – er aber habe mutig fortgesungen, die zweite Strophe und die dritte, auch die vierte, lautend: Seht, wie fleugt der Vögel Schar In den Lüften Paar und Paar! – aber wie er an die Worte dieser vierten Strophe gekommen: Donner, Blitz, Dampf, Hagel, Wind Seines Willens Diener sind! – und dieselbe in Gott vergnügt, ohne Furcht und Grauen mit lauter Stimme abgesungen habe, sei der Dampfnebel wie ein Pfeil hinter ihm weggewichen und über den Zeitelmoosweiher dahingezogen, und freudiglich habe der Mann das Lied zu Ende gesungen: Ach, mein Gott! wie wunderlich Spüret meine Seele dich! Drücke stets in meinen Sinn, Was du bist und was ich bin.