543. Frau Welle Die Hohewart liegt bei Kaulsdorf über Saalfeld und hat den Namen von einem Turme, der daraufstand, und in dem Turme hat eine weise Frau gewohnt, welche die Umwohner zu Rate zogen, diese Rune wurde Frau Welle genannt, und man nennt nach ihr noch das Tal unter der Hohenwart das Valleidatal. Bisweilen hielt sich Frau Welle auch in einer Berghöhle auf, und dort soll sie fort und fort noch als ein Geist erschienen sein, ganz in schneeweißes Linnen gekleidet, mit einem breiten Gürtel aufgeschürzt und mit fliegendem, bis auf die Fersen herabwallendem Haar. Auch sie soll sich in der Nähe, ja selbst im Gefolge des wilden Heeres befunden haben, wo sie aber die Waldmännchen und -weibchen nicht verfolgen half, sondern denselben ihren Schutz gewährte. Die zunächst anwohnenden Bauern sahen sie zuweilen, wann sie spät aus dem Holze heimkehrten, auf einer Anhöhe im Walde, wie sie auf den Ton der Jagdhörner horchte, wenn das wilde Heer auszog. Einstmals – erzählt man – war ein Bauer vorwitzig genug und fragte das am Berge vorüberziehende wilde Heer, ob es etwa der Frau dort etwas von der gemachten Jagdbeute ablassen wolle. Tags darauf fand man diesen Mann auf einem breiten Steine des Valledenberges mit ganz zerstückeltem Leibe liegen. Bisweilen irrte diese Frau auch unter der Gestalt einer fahlen Kuh in den Gebirgsschluchten umher. Im nahen Loquitzgrunde ist ein Felsberg, der heißt die Trudenkuppe; auch auf ihr geht eine weiße Frau um, deren lange nachschleppende Haare im Winde flattern. Sie trägt ein großes Messer und soll einsame Wanderer in das Dickicht locken und dann auf einem alten mächtigen Opfersteine schlachten.