9. Erziehung durch Langeweile Wo flieh ich hin? wo soll ich bleiben? Wo wird die süße Stille seyn? Da ich mich könnte schliessen ein, Und mich nicht lassen mehr umtreiben In Unruh dieser äussern Dinge. Ist keine Einsamkeit bereit, Darin ich Gott ein Loblied singe, Der von Zerstreuung mich befreit? Mein Geist will in die Wüste ziehen, Und wünscht sich Taubenflügel an; Weil er vor Angst nicht bleiben kann, Da wo die Menschen sich bemühen, Von Gott noch weiter wegzugehen Und niemals bei sich selbst zu seyn; Ich kann den Jammer nicht mehr sehen, Und bleibe selbst dabei nicht rein. Drum fort o Seel! entzeuch geschwinde Dich der Gesellschaft dieser Welt! Zerreiß, was dich gefangen hält, Damit dein Fuß die Ruhe finde, Wo kein Geräusche dich verstöret; Kein Zuspruch, Sorgen und Verdruß Den Umgang dir mit Gott verwehret, Der hier oft unterbleiben muß. Ich freu mich schon auf eine Kammer, Die mich in sich verschliessen wird; Und durch den engen Raum abführt, Von aller Unruh, Streit und Jammer, Den große Städt und Schlösser haben; Hier soll nur meine Ruhstätt seyn, Da Sicherheit und Fried mich laben, Und kein Unfriede bricht herein. Nun will ich erst recht singen, beten, Und in der Andacht kommen weit; Weil ich nicht durch so viel zerstreut, Vor Gott mit stillem Geist darf treten. Da soll kein Feind mich hindern können, Ich geh in Canaan schon ein, Mein Paradies soll man es nennen, Hier will ich auch begraben seyn. Gegensatz Ach triumphir nicht vor dem Siege, O Seel wo willt du fliehen hin; Da dein verblendter Eigensinn Vor Feinden frey und sicher liege. Suchst du noch Ruh in äussern Dingen, Ach glaube mir, du findst sie nicht; Wirst du nicht nach dem Innern ringen, So ists mit dem nicht ausgericht. Drum bleib nun im Gehorsam stehen, Kein Kriegsmann weicht von seinem Post; Wenns auch schon Blut und Leben kost, Wenn ihn sein Herr dahin heißt gehen. Der Glaub weiß nichts von eignem Willen, Er sieht sich selbst den Weg nicht aus, Dadurch er Gottes Will erfüllen, Und aus dem Streit will kommen raus. Du bist dir selbst die größte Plage, Du trägst noch Babel stets in dir; Willt du noch Ruh genießen hier, So laß dir keine süße Tage Durch süße Träume hier verlegen, Du machst dich nur mehr misvergnügt; Der liebe Jesu wird dich hegen, Der alles Wissen überwiegt. Du kannst auch mitten im Getümmel Der Welt, den Vater beten an; Der dich ja bald erlösen kann, Wenn dir erst nütze jener Himmel Und dich Egypten nicht sollt üben, Daß deiner Treiber schweres Joch Dich lehrte recht den Himmel lieben, Und dein Verlangen stillte noch. Hier ist kein Canaan zu hoffen, Kein Paradies ist mehr allhier; Es hat noch niemand der mit dir Entfliehen will, den Zweck getroffen. Die Hoffnung nährt sich mit den Dingen, Die süß und doch unsichtbar sind; Es muß uns doch zulezt gelingen, Bleib nur in Einfalt Gottes Kind. Nur freue dich auf jene Kammer Des Friedens, da du wohnen wirst, Wenn dich nicht mehr nach Ruhe dürst, Und bist befreyt von allem Jammer, Den hier noch Städt und Wüsten haben, Und wo du nur willt fliehen hin; Die Einsamkeit kann dich nicht laben, Wenn mit dir zieht dein Eigensinn.