15. Abendgebet Der muntre Tag ist wieder still, Und alles schlafen gehen will, Das Wild auf weichen Mooses Flaum, Der Vogel auf den grünen Baum, Der Mensch in seine stille Kammer, Sich auszuruhn von Müh' und Jammer. Doch tritt er aus der Hüttentür Zuvor noch in die Nacht herfür, Sich christlich erst bereiten muß Mit Liebesdank und Liebesgruß, Muß sehen, wie die Sterne blinken, Und noch den Odem Gottes trinken. Du, der von oben Wache hält, Du milder Vater aller Welt, Vernimm mein stammelndes Gebet, Das zu den hellen Sternen geht, Wollst mich von deinen Sonnenkreisen Im rechten Beten unterweisen. Ich war den Tag in deiner Hut, Behüt' auch heint mich, Vater gut, Durch deine milde Freundlichkeit Vorm bösen Feind und seinem Neid; Denn was den Leib mir mag befallen, Das ist das kleinste Leid von allen. O sende von dem Strahlenschein Den liebsten Engel zu mir ein Als Friedensboten unters Dach, Als Wächter in mein Schlafgemach, Daß Herz und Sinne und Gedanken Sich fest um deinen Himmel ranken. Dann geht der Tag so lustig fort, Dann klingt die Nacht ein Liebeswort, Dann ist der Morgen Engelgruß, Dem alles Böse weichen muß, Und wir hienieden schon auf Erden Wie helle Kinder Gottes werden. Und fällt der letzte Abendschein Einst in das müde Aug' hinein, Sehnt meine Seele sich hinauf Zum ewig sel'gen Sonnenlauf, So werden alle Engel kommen Mich heimzuholen zu den Frommen.