Homer Auf Olympos' hohem Haupte saß der Götter seel'ge Schaar, dunklen Wein in lichtem Golde brachte Hebe ihnen dar. Schweigen herrschte in der Runde und kein Lächeln war erlaubt, denn Kronion beugte trauernd das umlockte heil'ge Haupt. Heiß und roth in seinem Becher schwamm des Weines dunkle Fluth, Flammenschein von Trojas Brande, Widerschein von Priams Blut. Und er hob empor den Becher, »nimmer, sprach er, nimmerdar ziehen fürder Opfer spendend Trojas Knaben zum Altar, Nimmer bringen Trojas Mädchen Weines süße Labe mir – diesen Becher, diesen letzten Ilion, du geliebtes, dir!« – In des Göttervaters Auge flammend eine Thräne hing, tiefes Schauern, heil'ges Beben durch die Schaar der Götter ging, Tiefes Schauern, heil'ges Beben durch die Lande weit und breit, schweigend neigte sich die Erde vor dem großen Götterleid. – Und es floß die heil'ge Thräne langsam rollend erdenwärts, unaufhaltsam, bis sie ruhte zitternd in Homeros' Herz. – Tief im Schlummer lag Homeros, da ergriff's ihn bang und schwer, und er träumt' er trüg' im Busen das allmächt'ge Welten-Meer, Und er träumt', in seinem Busen küßten Sonne sich und Mond – stürmend trieb es ihn vom Lager und vom Haus, da er gewohnt – Wahnsinn flog um seine Schläfen, auf sein Auge sank die Nacht, doch im Herzen glüht' und sprüht' ihm unermeß'ne Weltenpracht. Da entströmte seinen Lippen tiefer, wonnevoller Klang – und es war das Lied von Ilion, das Homer den Völkern sang. Ueber Länder, über Meere zog der feierliche Ton, lauschend neigte sich die Erde vor dem großen Erden-Sohn. Um den Sitz der seel'gen Götter schwang das Lied die Flügel her, von der Priamiden Sterben lauschten sie der großen Mähr. Von dem Sessel sprang Kronion, »füll' den Becher, Hebe, mir. diesen Becher, diese Spende bringe ich, Homeros, dir! Der du mehr vermagst als Götter, Todte rufst aus Grabes Nacht, der du Ilion, das geliebte, wieder mir zurück gebracht!« Und es schwangen sich die Becher klirrend in der Götter Hand, rollend zog der heil'ge Donner über das Hellenen-Land; Bebend neigten sich die Lande und die Völker weit und breit – und sie ahnten, heilig schauernd, eigene Unsterblichkeit.