Das Jüngste Gericht »Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht, in welchem die Himmel mit Krachen vergehen werden; die Elemente aber werden für Hitze zerschmelzen und die Erde und die Werke, die in ihr sind, werden verbrennen.« Petr. 3, 10 1 Herbei, herbei, der Tag bricht an, Der Tag voll Furcht und Schrecken, Der Tag, der alles auf die Bahn Wird bringen und entdecken. Der Tag des Grimms, der Tag des Zorns, Der Tag der ernsten Rache, Der Tag des Stachels und des Dorns, Der ungerechten Sache. 2 Ihr Fürsten, Kaiser, Könige, Ihr Herrn und Potentaten, Ihr Päpst und hohe Geistliche, Ihr Bischöf und Prälaten, Ihr Richter alle kommt herbei, Ihr müßt euch all gestellen! Man wird das Urteil rund und frei Auch über euch nun fällen. 3 O schwere Zeit, o strenger Tag, Die Erde, die erbebet! Kein Fels ist, der bestehen mag, Der größte Berg zerklebet. Das Meer, das schaumt und schwellt sich auf Und macht ein Mordgebrülle, Die Ströme lassen ab vom Lauf, Stehn vor Erstaunen stille. 4 Die Winde sausen unerhört Mit grausamem Gestürme, Es werden alle Grüft erböhrt, Es stirbt auch das Gewürme. Das Vieh rennt unbesonnen her, Das Wild lauft aus den Löchern, Die Vögel werden matt und schwer Und fallen von den Dächern. 5 Des Mondes silbern Angesicht Wird blutrot vor Erschrecken. Die Sonn verblaßt, ihr Thron zerbricht, Ihr Viergespann bleibt stecken, Die Sterne sieht man allzumal In ängstlichen Gebärden, O weh, sie falln in großer Zahl Herunter auf die Erden. 6 Das wunderschön gefärbte Tuch Ums himmlische Gewölbe Kriegt hin und wieder einen Bruch, Wird runzlig, schwarz und gelbe. Der Morgenröte goldnes Kleid Ist ganz und gar zerrissen, All Anmut, alle Zier der Zeit Ist hin und ist zerschlissen. 7 Ein Feur steigt auf, das alls verzehrt, Auch selbst die Elemente. Es brennet alls, wird alls verheert Auch in dem Firmamente. Es ist ein Jammer, eine Not, Ein unaussprechlichs Klagen, Es wünscht sich alls Geschöpf den Tod In Ansehn solcher Plagen. 8 Der Engel machet einen Schall Aus seiner Erztrompete, Den Bösen tönt es überall Aus einer Trauerflöte: Steht auf ihr Toten, kreucht herfür, Erscheinet vors Gerichte, Der Richter ist schon vor der Tür, Kommt vor sein Angesichte. 9 Da fängt sich ein Gekrappel an In allen Totenhäusern, Ein jedes macht sich auf die Bahn, Kein Bein kann sich entäußern. Die Knochen hängen sich an Rump Und fangen an zu leben Und das Geripp wird umb und umb Mit seinem Fleisch umgeben. 10 Die Gräber alle tun sich auf, Die Särge, die zerspringen, Das Meer muß mit dem schnellsten Lauf Die Toten wieder bringen. Die Hölle speiet wieder aus Mit ungestümem Krachen Diejengen, die ihr Teufelshaus Verschlungen und ihr Rachen, 11 Der Himmel lässet auch mit Gunst Die selgen Seeln hernieder Und gibt ihn'n mit behender Kunst Die heilgen Leiber wieder. Die Toten beide, groß und klein, Die Bösen und die Guten, Versammeln sich all insgemein Wie große Wasserfluten. 12 Darauf erscheint ans Himmels Thron Mit frischem Blut bespritzet Das Kreuz, an dem sich Gottes Sohn Für uns zu Tod geschwitzet. Man sieht die Geißeln und den Draht, Mit dem man ihn geschmissen, Den Draht, mit welchem man ihm hat Den zarten Leib zerrissen. 13 Die Nägel, die durch Füß und Händ Ihm eingetrieben worden, Der Speer, der ihn nach seinem End Auch tot hat solln ermorden, Die sind noch alle rot vom Blut, Als wär es erst geschehen; Das Rohr, die Säul erscheint auch gut, Ein jeder kann es sehen. 14 Die Krone, die von einem Dorn Zusammen war gewunden Und ihm sein Haupt, meins Heiles Horn, Zerstochen und beschunden; Die Ketten, Strick und was er mehr Für uns hat ausgestanden, Ist alls vor Augen, ihm zur Ehr, Der Welt zu Spott und Schanden. 15 Da geht es in ein Zeterschrein, Da wird ein Heuln und Weinen, Da winselt auch der härtste Stein Und alles Mark in Beinen. Da wünschet mancher, daß ihn bald Der größte Berg erdrucke, Ein andrer, daß ihn mit Gewalt Die Hölle selbst verschlucke. 16 Dort schreit der: Wär ich nie geborn Noch je geschaffen worden! Wär ich im Mutterleib verlorn, Könnt ich mich selbst ermorden! Ja alle, die sich an der Pein Des Herren schuldig finden, Die wünschen ihnen insgemein In Abgrund zu verschwinden. 17 Indessen kommt des Menschen Sohn, Der Richter, angezogen, Er sitzt auf einem neuen Thron, Der wie ein Regenbogen. Ein bloßes Schwert, des Zornes Zeug, Erscheint in seiner Linken, Den gnadenreichen Lilienzweig Sieht man zur Rechten blinken. 18 Er kommt in großer Herrlichkeit Mit göttlichem Gepränge, Voll Blitz und Feuer ist sein Kleid, Die Engel in der Menge. Erschrecklich ist sein Angesicht, Doch aber nur den Bösen, Voll Trost scheint seiner Augen Licht Dem, den er will erlösen. 19 So bleibt er in den Wolken stehn Vor allen Adamskindern! Da wird ihm keiner nicht entgehn, Noch seinen Spruch verhindern. Und stracks schafft er den Engeln an, Daß sie sich abwärts schwingen Und sein Erwählten zu dem Fahn Der Überwindung bringen. 20 Die Engel lassen sich behend Herunter auf die Erde Und sammelen an allem End Dem Herren seine Herde. Sie lesen ihm die Lämmer aus, Führn sie zur rechten Seiten, Die Böcke schleudern sie im Strauß Zum Arm der Strengigkeiten. 21 Da wird manch Weib von ihrem Mann, Manch Mann vom Weib gerissen, Da nimmet man den Vater an Und stößt den Sohn mit Füßen. Hinwiederum steht mancher Sohn Den Selgen zugeschrieben, Der Vater aber wird davon Mit höchstem Spott getrieben. 22 Da muß der Bruder voller Leid Bei Teufels Böcken stehen Und sehn die Schwester voller Freud Mit Gottes Schafen gehen. Da wird ein Freund (doch nun nicht Freund) Vom andern abgeschnitten, Der eine lacht, der andre weint, Gar ungleich sind die Sitten. 23 Sobald er seine Schäfelein, Der süße Gott, ersiehet, So ist er sie zu benedein Mit schönem Gruß bemühet. Komm her, ruft er, geweihte Schar, Vom Vater auserkoren, Besitzt das Reich, das euer war, Noch eh ihr wurdt geboren, 24 Mich hungert und ihr macht mich satt, Mich dürst, ihr gabt mir trinken, Ich klagte weh, ihr schafft mir Rat Zur Rechten und zur Linken. Ihr habt mich Nackenden bekleidt, Nahmt mich in eure Hütte, Ihr kamt zu mir zur bösen Zeit In' Stock mit Trost und Güte. 25 Sie sprechen: Herr, wann haben wir Dir etwas Guts erzeiget, Wann haben wir denn uns zu dir Mit solchem Dienst geneiget? Er spricht: was ihr erwiesen habt Den kleinsten meinen Brüdern, Will ich, als hätt ihr mich gelabt, Euch ewig nun erwidern. 26 Es werden Stühle hingestellt, Darauf die Heilgen sitzen, Die Heiligen, die in der Welt Mit Christo mußten schwitzen. Sie hatten hier den Bösewicht, Die Welt und sich bezwungen, Drum sitzen sie jetzt zum Gericht. Dieweil sie durchgedrungen. 27 Was muß für Grimm und was für Schmach In' Schuldigen entstehen, Wenn sie die sehen nach und nach Auf den Gerichtsstuhl gehen! Wie wird dir da zu Mute sein, Du Bluthund Maximine, Was fällt dir, Hadrian, jetzt ein Bei dieser Wunderbühne? 28 Was muß der Unmensch Commodus, Was Nero da gedenken? Wie wird Sever und Decius Sich in dem Herzen kränken! Wie muß manch Schnarcher und Tyrann Vertieft stehn und gebucket, Wenn er da sieht den armen Mann, Den er hier hat verdrucket. 29 Dies sind die (murmeln sie bei sich), Die wir für Narren hielten, Mit deren Blut wir häufiglich Die wilden Tier erfüllten. Dies sind, die wir als einen Schaum Des ganzen Volks verachten, Dies sind, die wir wie einen Traum Und blauen Dunst verlachten. 30 Der ists, spricht jener, der vor mir Nicht einmal durfte mucken, Der bettelte vor meiner Tür, Dem trat ich auf den Rucken. Den hab ich einst ans Rad gebracht, Den aus der Stadt verjaget, Den hab ich weidlich ausgelacht Und jenem 's Recht versaget. 31 Wie, daß es ihnen jetzt so geht, Daß sie so hoch ankommen! Daß sie so trefflich sind erhöht Und herrlich aufgenommen! Ach, ach, wir Narrn, wir haben nie Den rechten Weg gewandelt, Wir haben Unrecht spät und früh Zu unsrem Spott gehandelt. 32 Die Bücher werden aufgetan Und alles draus gelesen, Was auf der Welt vor jedermann Verborgen ist gewesen. Da werden kund und offenbar Die innersten Gedanken, Da macht man alle Schandtat klar Vor allen, die im Schranken. 33 Wie blutrot wird da manche Dirn, Die hier für Jungfer gangen, Wie runzelt jener seine Stirn, Der sich an sie gehangen! Wie bleich steht mancher große Dieb, Wie schlägt ers Antlitz nieder! Wie schämt sich der der falschen Lieb, Wie zittern ihm die Glieder! 34 Insonderheit wird aufgetan Das schwarze Schuldregister, Draus klagt sie Satan sämtlich an Als schändliche Verwüster. Er lieset, wie sie ihre Seel, Den Himmel Gotts, zerrüttet Und in den Leib, seins Geistes Höhl, Geraset und gewütet. 35 Sie wußten nicht, schreit er mit Macht, Vor Hoffart und Stolzieren, Mit was für neuer Kleiderpracht Sie sich nur sollten zieren. Niemand war ihnen gut und gleich, Ihr Stand, Geschlecht und Gaben, Die mußten sein bei Arm und Reich Mit Übermut erhaben. 36 Sie warn im Geiz und Geldbegier Mit Herz und Sinn ersoffen, Kein Bettler durft an ihrer Tür Je werden angetroffen. Wenn sie zu deines Namens Her Ein Gröschlein sollten geben, Da war in ihnen kein Gehör, Kein Pfennig zu erheben. 37 Sie waren neidisch und sogar Mißgünstig wie die Hunde, Wer reich und wohlgesegnet war, Den nagten sie zur Stunde. Wo sie gekonnt mit Rat und Tat Des Nächsten Glück verhindern, Da warn sie emsig früh und spat Und halfen es vermindern. 38 Sie konnten nichts als purrn und murrn Und in den Nächsten wüten, Sie waren stets voll Grimm und Zorn Und sagten nichts in Güten. Sie fluchten, daß die Luft erschrak Mit grausamem Getümmel, Sie schmäheten Gott Tag für Tag Und lästerten den Himmel. 39 Sie lebten fort und fort im Fraß Vom Abend bis zum Morgen, Ihr Schlund war stets vom Weine naß, Ob sies gleich mußten borgen. Sie haben oftmals die Vernunft Dreimal im Tag ersäufet Und also mit der Wiederkunft Das Sündenmaß gehäufet. 40 Sie waren unkeusch und dem Wust Der Unzucht ganz ergeben, Sie führten in des Fleisches Lust Ein ärgerliches Leben. Sie reizten auch noch andre an Mit ihrem Schandgegäcke Und brachten fast nichts auf die Bahn Als sündiges Gepläcke. 41 Zum Guten waren sie beschwert, Faul, langsam, träg, verdrossen, Kein Dürftiger hat auf der Erd Ihrs Dienstes viel genossen. Zum Beten konnten sie gar kaum Die Sündenposten rühren, Was Guts zu denken, war kein Raum In ihrem Sinn zu spüren. 42 In Summa, es war keine Lieb In ihrer Brust zu finden, Noch Hoffnung, die deins Geistes Trieb Im Herzen pflegt zu gründen. Bei vielen war der Glaub allein Und doch nur in dem Munde, Ihr ganzes Leben war ein Schein, Kein Wesen in dem Grunde. 43 In aller dieser Schändlichkeit, Da durften sie noch denken, Daß du sie würdst mit ewger Freud In deinem Reich beschenken. Sie sündigten auf dein Verdienst Und auf deins Geistes Güte, Sie zechten auf deins Tods Gewinst Mit frevelndem Gemüte. 44 Dies alls und mehr hat diese Schar Mit Wust und Willn begangen. Du weißts, o Richter, daß es wahr, Ich hab sie so gefangen. Sie sind nun mein, sprich sie mir zu, Verdamme sie zur Höllen, Ich will sie noch in diesem Nu Den Teufeln zugesellen. 45 Der Richter, weil er voller Glimpf. Der hält ein wenig inne, Ob jemand auf die Schmach und Schimpf Zu tädigen beginne. Es will sich aber keiner rührn, Es drückt sie ihr Gewissen, Man sieht, daß sie sich schuldig spürn Und recht verstummen müssen. 46 Drauf sieht er seine Heilgen an Und fraget mit Gebärden, Ob auch, was dieses Volk getan, Entschuldigt könne werden. Es muß ein jeder nach der Reih Sein Urteil von sich geben Und vor ihm reden rund und frei Von dieser Sünder Leben. 47 Die Heilgen biegen ihre Knie Und falln aufs Angesichte Mit Lob und danken, daß er sie Gewürdigt zum Gerichte. Sie sprechen all einhellig: Nein, Was die an dir verbrochen, Das muß mit ewger Schmach und Pein An ihnen sein gerochen. 48 Wir lebten auch im Fleisch und Blut, Im Zunderzeug der Sünden, Wir mußten auch in unsrem Mut Des Satans Pfeil empfinden. Wir waren Menschen gleich wie sie, Wir hatten auch die Sinnen, Wir wurden aber spät und früh Des Schlangenstachels innen. 49 Und dennoch haben wir durch dich Die Laster überwunden, Wir haben auf den Schlangenstich Dein heilsams Öl gebunden. Wir sind zum Leben durch den Tod Gewaltsam eingedrungen Und haben unser Herz zu Gott Vom Bösen abgezwungen. 50 Dies konnten auch die Schälke tun, Sie konnten ihren Willen Vom Bösen abziehn, konnten ruhn Und die Begierden stillen. Sie folgten aber dir, Herr, nicht, Sie wollten schändlich leben, Drum kannst du sie mit rechtem Gricht Dem Satan übergeben. 51 Der Richter, welchem alls bekannt, Der billigt ihre Stimme: Sie sollen ewig sein im Brand Und unter Teufels Grimme. Das Urteil ist bald abgefaßt, Er sprichts mit eignem Munde, Er sprichts, daß auch das Blut erblaßt In ihres Herzens Grunde: 52 Geht hin und weichet weg von mir, Ihr Grundvermaledeiten, Geht hin, trollt euch von meiner Tür, Bleibt weg zu ewgen Zeiten. Geht hin ins Feur, ins ewge Feur, In Schlund der grundten Höllen Mit Beelzebub, dem Ungeheur, Und seinen Rottgesellen. 53 Ich war vor Hunger von Gewalt Und allen Kräften kommen, Ich hatt an Leib und an Gestalt Aus Mangel abgenommen. Ihr habt mir nicht ein Bißlein Brot, Nicht ein gut Bein gegeben, Daß ich nur hätte vor dem Tod Beschützt mein armes Leben. 54 Ich litte Durst, daß mir die Zung Am Gaumen kleben bliebe. Der Mund war trocken und die Lung, Ich sucht an euch die Liebe. Ihr habt mir einen Trunk versagt, Ihr habt mich nicht gelabet, Ihr habt mich von euch weggejagt Und gar mit nichts begabet. 55 Ich war ein Fremdling und ein Gast, Mußt auf der Straße liegen, Ich dacht ein wenig Ruh und Rast In eurem Haus zu kriegen. Ihr habt mich nicht so wert geacht, Daß ihr mich aufgenommen, Ich konnte nicht auf eine Nacht Bei euch zur Herberg kommen. 56 Ich ging elende, bloß und nackt, Mein Kleid war mir zerrissen, Das Haupt war naß und unbedackt, Kein Schuh an meinen Füßen. Ihr habt mir nicht ein altes Kleid, Nicht ein Paar Schuh geschenket, Ihr habt mich nicht zur Winterszeit Mit einem Fleck behenket. 57 Ich lag im Kerker, ich war krank, Ich winselte vor Schmerzen, Es war mir Zeit und Weile lang, Ich hatte Pein im Herzen. Ihr habt mich nicht einmal besucht, Ihr seid nie zu mir gangen, Ich habe niemals eine Frucht Noch Trost von euch empfangen. 58 Herr, wann ists, sprechen sie, geschehn, Daß du hast Not gelitten? Wann haben wir dich nackt gesehn, Mit was für Weh bestritten? Wann bist du fremde hergereist, Wann in dem Stock gelegen, Daß wir dir keinen Dienst beweist Noch deiner wollten pflegen? 59 Was ihr, spricht er, nicht habt getan Dem Kleinsten, der mich liebet, Das habt ihr auch nicht, schaut mich an, Einst gegen mich geübet. Trollt euch nun fort, ihr habt verlorn, Das Urteil ist gesprochen, Ihr findt nicht Gnad bei meinen Ohrn, Der Stab, der ist gebrochen. 60 Da fallen sie mit großem Schrein, Mit Prasseln und mit Krachen Wie Klötze in den Schlund hinein Und in der Höllen Rachen. Die Frommen aber gehn bereit In ihres Herren Freude, Ins Schloß der ewgen Seligkeit Zur wahren Seelenweide.