Sie beweint die gekreuzigte Liebe 1 Kommt her und schauet an mein Leben, Das unbefleckte Jungfraunkind! Schaut, wie es ist ans Kreuz gegeben Für unsre Schuld und unsre Sünd! Es ist so übel zugericht, Daß mir das Herze bricht! 2 Schaut, wie man hat den zarten Knaben So gar zerschmissen und verwundt! Wie man ihm Händ und Füß durchgraben, Wie man belohnt den hulden Mund! Wie ist die ewge Freundlichkeit Beworfen und bespeit. 3 Der Leib ist voller Beuln und Schrunden, Voll Angst und Schmerzen ist sein Geist. Das Fleisch und Mark ist alls verschwunden, Das Blut vergossen allermeist. Wie muß das lieblich Äugelein Ein solcher Scheusal sein? 4 Er hat vom Himmel auf die Erden Aus lauter Liebe sich gesenkt, Daß wir erledigt sollen werden Von allem Übel, das uns kränkt. Und sieh, er stecket selbst in Not, Der treue Liebesgott! 5 Wer ist nun, der ihm bei kann springen, Wer will ihm seine Treu bezahln? Wer Öle seinen Wunden bringen, Wer stillet seine Pein und Qualn? Wer ist, der das geplagte Kind, Ach, ach, vom Kreuz gewinnt? 6 Soll denn die Lieb am Kreuze sterben? Soll denn die Unschuld länger stehn? Soll denn das Heil der Welt verderben Und unser Leben untergehn? Ach ja, es weicht schon Geist und Sinn! Ach ja, die Lieb ist hin. 7 Die Lieb ist hin, o arme Seele, Die Lieb ist tot, lauf doch hinzu! Eröffne deines Herzens Höhle Und gib sie ihm noch jetzt zur Ruh. Steig auf das Kreuz, nimm ihn herab Und sei der Liebe Grab. 8 Du bist die Schuld, daß er gestorben, Du bist die Ursach seiner Pein. Weil er um deine Lieb geworben, Hat er des Todes müssen sein. Dies Lämmlein ist für dich geschlacht, Für dich in Tod gebracht! 9 Entzieht euch mir, ihr meine Sinnen, Ihr Augen schließt euch beide zu. Mein Geist begebe sich von hinnen, Mein Leben, das ersterb auch nu. Ich kann vor Leid nicht mehr bestehn, Ich muß mit ihm vergehn.