Klagen eines Geometers über den Verfall der Reize seiner Frau. O Zeit! du böser Circulus, du Feindin aller Ehen, ach, was du nur berührtest, muß in deiner Hand vergehen; du Reizverderberin, sag' an: was hat dir meine Frau gethan? Sie zeigt mir, ach, im Negligee, anstatt der Schönheit Spuren, jetzt lauter mathematische verzweifelte Figuren; ihr Leib ist eine Tabula der ganzen Mathematica. Ach, ihr Gesichtchen, sonst so reich an regulairen Zügen, der reizendsten Ellipsis gleich, gemacht, mich zu besiegen, ist iztz, besehen um und um, ein schreckliches Triangulum. Ihr Mündchen, sonst so parallel mit beiden Augenbogen, ist itzo, – Gott verzeih' mir's – scheel, und jämmerlich verzogen, und in dem Mund rollt jetzt herum ein mobile perpetuum. Wie schön war nicht ihr Wangenpaar vor kurzem noch formiret, ein herrliches Convexum, gar mit Rosen emailliret, und dies Convexum, – schade drum! ist leider jetzt ein Concavum. Ich weiß nicht, was dem Kinn geschah das ich so gern sonst drückte, ich dacht' an die Parabola, so oft ich es erblickte, und jetzt fällt mir dabei, o Pein! der Angulus acutus ein. Sonst hob und dehnt' ihr Busen sich in altum et in latum, jetzt ist er, o wie ärgert's mich, ein planum inclinatum; die beiden hemispheria sind nun zwei kleine pendula. Die Hüften, ach, sonst waren sie viel ründer und viel fetter, nun stehen sie hervor, als wie zwei harte dicke Bretter, sind mager, eckig und kurz um ein Parallelepipedum. Die Schenkel sind nicht mehr so schön, sie waren sonst viel ründer, und fühlten sich vordem wie zween elastische Cylinder, nun aber sehen sie, o Graus! als wie ein Polygonum aus. Und noch eins, o – zwo Linien, die sonst so schwer sich trennten, zu eng für meinen ehlichen gefürchteten Tangenten, verwandeln jetzt gar fürchterlich in einen weiten Rhombus sich. So muß ich leider merken, was die Mathematik lehret. Ja, zwischen Mann und Weib ist das Verhältniß umgekehret, erst war ich groß und sie war klein, nun wird sie groß, und ich schrumpf' ein. Ung[enannt]. (= Aloys Blumauer)