Ein lehrreicher Traum. Der Liebesgott, geschmückt mit allen Reizen, Erschien mir heut' im leichten Morgentraum, An seiner Hand ein loses braunes Mädchen: »Da«, sprach er, nimm die blühende Brünette, Küss' sie und drück' sie fest in deine Arme.« Ich that es, und wir sanken auf den Sopha. Wie schalkhaft lächelte der kleine Amor, Als er, gleich Wolken, die die Sonne decken, Den Kleidesvorhang von dem Sitz der Wollust hob. »Sieh her, dies ist der freudenreiche Becher, In den einst Bachus bei Ariadnen Den Nektar goß und einen Rausch sich trank: Betrachte dieses lockichte Gewebe; Der Venusgürtel ist von solchen Fäden, Betracht' des Laubwerks Kunst um diesen Becher, Und athme seine Balsamdüfte ein; So groß ist nicht die Kunst der heil'gen Schale, In welcher Hebe dort und Ganymed Uns Göttern des Olymps den Nektar reichen. Füll' den Pokal, den Grazien und Venus mit ihren Zauberflügeln schufen, Mit ihren Lieblingsfarben schmückten, Zum Labetrunk der Menschen weihten, Und den die Neuheit doppelt kostbar macht. Füll' ihn, wie Zeus ihn Danaen einst füllte, Als er im gold'nen Regen sie gewann, Und sei dabei entzückt wie Jupiter. Dies ist«, hier wies er seinen kleinen Scepter, Deß Allgewalt die Schäferin und Fürstin Erkennen, und der sie oft bis zur Ohnmacht rührt, »Dies ist der Heber, dessen wunderthät'ges Druckwerk Die Menschensaat zum Mutterschooße führt. Leg' ihn nur an den Rand der Nektarquelle, Ihr mildes Naß wird nie die Wege glätten, Und mischt sich gern mit seinem Lebensöl. Füll' lang' und fleißig Chloens Becher, Er öffne sich, wenn du dich durstig näherst, Wie Rosen, wenn sich West und Sonne nahen: Und wenn nach manchem Meisterzug aus ihm Ein kleiner Müdheitsschau'r dich überfällt, Dann küss' zur Stärkung Chloens Schwanenbusen, Schlürf etwas Wein aus ihrer Hand; Doch wenn vom Wein und diesem Stärkungskusse Die Lust zum Trunk aus meinem Lieblingsschälchen Nicht wiederkehrt, dann leg' dich hin und – schlaf.« Anonym [= Johann Georg Scheffner].