Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte Es ist bey der itzigen sinnreichen und neugierigen Welt die Sprach- nicht weniger als die Blumen-Kunst auff das Höchste gestiegen. Der seines lobwürdigen Zweckes wegen hoch-preißbare Palmen-Orden hat die vornehmsten Gewächse dieser und der neuen Welt untersuchet/ und in seinen Garten versetzet. Was selbige vor Frucht getragen/ lieget an offenem Tage. Man muß bekennen/ daß durch Anleitung seiner Mit-Glieder und Nachfolge vieler andern es dahin kommen/daß alle Länder und alle Zungen unser Teutschland bereichert haben. Die Kunst oder Bemühung hat sich/die Natur selbsten zu übertreffen/ bearbeitet/ und was in fremdem Boden gewachsen/ dem Teutschen erblich machen wollen/ wiewohl mit ungleichem Fortkommen/ indem ein Theil darvon in der ersten Blüte ersticket ist/ ein Theil auff dem fremden Stocke Geruch und Farbe verlohren/ das meiste dennoch wohl geblühet und gefruchtet hat. Allhier zeigen sich auch einige theils inntheils ausländische Gewächse von unterschiedener Gattung/gleichwie in einem Garten nicht nur hohe Bäume und prächtige Stauden/ sondern auch niedrige Violen und kriechende Demutt angetroffen werden. Rüchen viele hiervon noch nach der ungereinigten Lufft des ersten Frühlings/ so ist man ja gewohnet/ zu selbiger Zeit mit schlechten Blumen für lieb zu nehmen/ und findet hernach die andern desto angenehmer. Die Himmel-Schlüssel ( Primulæ Veris) stehen billich voran. Der Herr des Himmels gebe/ daß wir alle den rechten Himmels-Schlüssel finden und ergreiffen. Ermunterung zur Andacht beym Erwachen O' Seele/ werde wach vom Schlaffe deiner Sünden/ Der dich in eine Nacht ohn Ende stürtzen kan. Nimm keinen falschen Schein zu deinem Führer an/ Und mühe dich das Licht der Ewigkeit zu finden. Geh nicht den breiten Weg der weltgesinnten Blinden/ Die schnöder Ehre Blitz/ und falscher Freude Wahn Vom Tugend-Steige führt auff glatter Wollust Bahn/ Den Liebe/ Lust und Schertz die Augen pflegt zu binden. Erhebe dich im Geist bey das gestirnte Hauß/ Laß Schatten/ Nebel/ Nacht seyn unter deinen Füssen/ Und kläre deinen Sinn mit reiner Andacht aus. So wird das Licht/ dem Licht und Sonne folgen müssen/ Mit Strahlen seiner Gnad erleuchten deine Sinnen/ Daß du durch finstres Thal wirst sicher wandeln künnen.