Hochwohlgeborener Herr, Hochzuverehrender, Hochgebietender Herr Staatsminister, Gnädiger Herr! Als ich vor fast einem Jahre Euer Excellenz meine anatomisch- physiologischen Arbeiten über die Entwicklungsgeschichte der Insecten, welche den Acten der Akademie der Naturforscher einverleibt sind, zu überreichen die Ehre hatte, war ich im Stande, Hochdenselben Etwas in seiner Ausführung und Vollendung vorzulegen, was in seiner Anlage und in unvollkommner Gestalt, mit Zeichnungen begleitet, zu Ihrer gnädigen Prüfung kommen durfte. Zum zweitenmale erscheine ich in gehorsamer und ergebener Gesinnung vor Euer Excellenz, um Hochdenselben ein grösseres und umfassenderes Werk vor- zulegen, welches ebenfalls schon einmal in seinen Entwürfen und theilweisen fragmentarischen Ausführungen Ihrer Theilnahme gewürdigt worden, und dessen naturwissenschaftlicher Gegenstand Euer Excellenz ganz besonderer Aufmerksamkeit immer sich zu erfreuen hatte. Ich bin stolz darauf, daß ich so glücklich gewesen bin, mit Ihrer gnädigen Zustimmung diesen Untersuchungen Ihren Namen vorsetzen zu dürfen. Sie waren ihrem hohen Förderer von allem Anfang an zugeeignet, sie sind in einem schönen Bewußtsein höherer Theilnahme vollendet worden. Nicht kann ich in diesem Schritte die Absicht haben, diese Theilnahme eines mir noch unbekannten hohen Förderers der Naturwissenschaft wie aller wissenschaftlichen Bestrebung erst erregen zu wollen. Ich bin mir einer schönern und würdigern, mir selbst heiligen Verknüpfung bewußt. Was Euer Excellenz selbst huldreich zu fördern geruht haben, das sollte nur Ihnen geweiht seyn, in einer vielleicht nur mir selbst ganz verständlichen Devotion. Mögen denn auch diese Arbeiten, die ich in tiefster, huldigender Ehrfurcht vor Ihnen niederlege, von einem andern Theile meiner Studien Rechenschaft geben, zu denen Euer Excellenz zunächst auf eine gnadenvolle Art die Ursache gewesen sind. Dabei möge mir vergönnt seyn, zu wiederhohlen, was ich am Anfange des verflossenen Jahres geloben durfte. Muß es unser aller, die wir unserm Berufe gemäß auf ver- schiedene Weise nach Wahrheit streben, höchster reinster Wunsch seyn, daß die Wissenschaft und ihre Ausübung in der Kunst in freier Entwicklung ihrer Fortschritte sich des höchsten Schutzes erfreue, so ist ja auch mein Gelobniß nicht zu klein, wenn ich in besserm Bewußtseyn und in der Erhebung, welche die Abhängigkeit von dem ewigen Willen erkennt und fühlt, die aufrichtigsten und frommsten Wünsche für Euer Excellenz segenreiche Erhaltung hege und jene mit dem allgemeinen Wunsche, dass es in unsern Bestrebungen licht werde, und daß wir eindringen mögen in das offenbare Geheimniß der Natur, demüthig vereinige. Wie innig Euer Excellenz gnädige Auf- munterung mit allen meinen Bestrebungen verknüpft ist, und verknüpft seyn wird, mögen Sie nicht das Bedürfniß haben, das wieder- hohlt von mir zu hören, es ist mir zum wohlthätigen Bedürfniß und zur Pflicht geworden, es Ihnen wiederhohlt zu sagen. An dem Schlusse eines abermals in einem neuen Wirkungskreise zurückgelegten Jahres hatte ich dazu besonderen Grund. Ich glaubte schon damals Ihnen diese Votivtafeln gehorsamst überreichen zu können; allein die Vollendung der zweiten Kupferplatte, die nur bei ganz besonderer Aufmerk- samkeit und unter meinen Augen fort- schreitend der Zeichnung entsprechend und befriedigend werden konnte, hatte die Erfüllung dieses Wunsches verspätet. Sollten Euer Excellenz diese Arbeiten Ihrer genauern Durchsicht und Prüfung gnädigst würdigen, so möchten Hochdieselben wohl allseits erkennen, daß jene unter einem sehr glücklichen Einflusse und unter Benutzung sehr reichlicher Mittel allein haben entstehen und gefördert werden können. Sie werden den Einfluß der wissen- schaftlichen Institute und Sammlungen wiedererkennen, in denen ich wahrend meines Aufenthaltes in Berlin auf eine freie Weise thätig seyn konnte. Ganz besondern Dank bin ich in dieser Beziehung den Directoren der naturwissenschaftlichen und anatomischen Museen, so wie auch den Lehrern der Thierarzeneyschule schuldig, welche immer auf die bereitwilligste Weise meinen Bedürfnissen entgegen gekommen sind. Sehr leid thut es mir, daß die Untersuchungen über den Einfluß des gefärbten Lichtes auf die Vegetation und auf die Lebenserscheinungen der Pflanzen und Thiere nicht auch schon in diesen Cyclus von Abhandlungen haben auf- genommen werden können. Am linken Rand durch senkrechten Bleistiftstrich markiert. Schon in Berlin gieng ich mit mancherley Versuchen dieser Art um, ich lernte die Schwierigkeiten, mit welchen besonders diese Untersuchungen verknüpft sind, kennen, verließ schon damals vergebene Wege und entwarf endlich einen Plan zu neuen grösseren für die Wissenschaft, wie ich hoffte, sehr ersprieß- lichen Untersuchungen, dessen Ausführung auch die Rücksprache mit einem in diesem Felde sehr vertrauten Gelehrten, Herrn Dr. Seebeck und dadurch gewonnene Kenntniß sowohl neuer Schwierigkeiten als neuer Mittel, sie zu heben, hoffen ließ. Durch freundschaftliche Verbindung mit dem Herrn Präsidenten Dr. Nees v. Esenbeck sollte das Unternehmen unterstützt und gefördert werden; der botanische Gärtner hatte alle Hülfsleistung von seiner Seite bereitwillig versichert. Wenn der Ausführung dieses in meinen Augen für die Wissenschaft gewiß frucht- reichen und wichtigen Unternehmens bisher Manches im Wege stand, so war Am linken Rand durch senkrechten Bleistiftstrich markiert. es, um das erste Motiv zu nennen, der Mangel an Mitteln. Ich hatte, so viel ich auslegen konnte, gefärbte Gläser angekauft. Aber mannigfache Versuche haben mich belehrt, daß, wenn etwas Entscheidendes Am linken Rand durch senkrechten Bleistiftstrich markiert. mit Eifer und nach ernster Vorbereitung geleistet werden soll, die Organismen und besonders die Pflanzen in grösseren allseitig aus ganz reinen gefärbtem Glase bestehenden Behältern aufbewahrt werden müssen. Auch war die Gleichzeitigkeit aller Versuche mit einer Pflanzenart und einer Infusion und verschiedenem gefärbtem Lichte durchaus nothwendig. Dieß Alles forderte grössern Aufwand. Es mangelte ferner durchaus an reinem rothem und grünem Glase; ich habe die nöthige Quantität desselben aus Böhmen verschrieben, wenn ich gleich noch nicht weiß, wie ich diese Kosten decken will, und wie manche andere optische Instrumente beizubringen sind. Sollten die Umstände günstiger werden, so gedachte ich, den Anfang des kommenden Frühlings nicht zu versäumen Am linken Rand durch senkrechten Bleistiftstrich markiert. und rasch ans Werk zu gehen. Daß Euer Excellenz mit meinen bisherigen Verhältnissen wohlbekannt sind, erkenne ich in dankbarer treu- ergebener Gesinnung, wie Hochdieselben meine bisherige sorgenvolle Bedrängniß gnädig zu erleichtern gesucht haben. Es ist nunmehr schon im siebenten Jahre, daß ich mein sparsames Ver- mögen für den Zweck, dem ich endlich entgegen geführt worden, verzehrend, auch auf dem eben so sparsamen Vermögen meiner Geschwister ein Schuldner geworden bin. Diese Mittel sind ein für allemal erschöpft; ich kann von dieser Seite keine Ansprüche mehr machen; nur die fremden zu befriedigen, blieb. So lange ich in Berlin lebte und wenn gleich nicht grösserer Gnade und Huld, als mich jetzt beglücken, Am linken Rand durch senkrechten Bleistiftstrich markiert. doch einer reichlichern Unterstützung mich zu erfreuen hatte, konnte ich meine Bedürfnisse so einrichten und beschränken, wie es für mich passend war. Diesen Vortheil hatte eine private Stellung in einer grossen Stadt. Ich kann dieß nicht mehr in meiner jetzigen Stellung, so sehr ich mich zum Vortheil meiner wissenschaftlichen Unternehmungen und für die Bestreitung ihres Aufwandes einzuschränken versuchen möchte. Ich kann es daher Euer Excellenz wohl gestehen, um so mehr Hochdieselben selbst den Wunsch, diesen Sorgen abzuhelfen, zu äussern gnädigst geruht haben, ich darf wohl gestehen, daß ich in meiner nun- mehr anderthalbjährigen Stellung als Privatdocent, wenn gleich durch die Huld einer hohen Staatsbehörde fortdauernd unterstützt, doch oft in einer Bedrängniß gelebt habe, wie ich sie bisher nicht gekannt, und deren Besorgniß auch lähmend auf mich hätte wirken müssen, wenn ich von dieser Seite je ganz ohne Sorgen gewesen wäre. In solchen Tagen und Stunden war es denn wohl, wo mich endlich gerade eine ungewöhnliche Lust zu neuen Unternehmungen und Bestrebungen hinriß; ich redigirte, worauf ich zunächst beschränkt war, die mannigfachen Entwürfe früherer Zeit. Dieß Mittel versagte nicht, es erhob mich heiter über meinen bedenklichen Zustand, bis auch für den Fortschritt dieser wissenschaft- lichen Bestrebungen neue Bedürfnisse eintraten und meine Beschränkung auch lähmend für meine Unternehmungen werden musste. Ich darf mir wohl auch wohl gestehen, daß ich nur in der letztern Beziehung am meisten und lebhaftesten ein freieres Bewegungsvermögen ersehne. Es ist deshalb unendliche Freude und Beruhigung über mich gekommen, als Euer Excellenz in Ihrem gnädigen Schreiben vom 5ten November 1825 mir haben eröffnen wollen, wie Hochdieselben mich in den Stand setzen wollen, daß ich fern von fremden das äussere Leben betreffenden Sorgen ganz und ungetheilt meinem Berufe als Lehrer und meinen wissenschaftlichen Forschungen mich widmen könnte. Rastlose Thätigkeit ist mir Bedürfniß, und kann ich wohl bekennen, daß ich nichts eifriger für die Zukunft wünsche, als einen recht grossen Wirkungskreis, der meine Kräfte allseitig in Anspruch nimmt. Indessen freut es mich sehr, daß schon jetzt meine Wirksamkeit in den gesammten medicinischen Unterricht mit Erfolg eingreifen kann. An thätigem innerem Verkehr fehlt es eben- sowenig. Was mir jetzt besonders am Herzen liegt, ist eine anatomische Unter- suchung über den Nervus sympathicus der Wirbelthiere. Es muß im Gebiete der vergleichenden Anatomie des Nervensystems viel geschehen, wenn wir nicht hinter den französischen Naturforschern bleiben wollen. Ein freundliches Vernehmen mit dem Herrn Professor Mayer , der bis jetzt mit grosser Bereitwilligkeit meinen Wünschen, so viel an ihm lag, entgegengekommen, wird mich in diesem neuen Vorwurfe sehr fördern. Mit der Theilnahme an meiner Wirksamkeit als Lehrer in der medicinischen Facultät habe ich allen Grund zufrieden zu seyn. In meinen Privatvorlesungen über die allgemeine Pathologie, welche sich zunächst an meine physiologischen Vorträge anschliessen und diese zu Grunde legen, zähle ich 25 Zuhörer. Die allgemeine Pathologie, als theoretische Grundlage für das gesammte spätere medicinische Studium, war bisher, wie die verehrten Mitglieder der medicinischen Facultät auf den Grund der Inauguralprüfungen einstimmig zu ihrem Leidwesen anerkennen mussten, der Gegenstand, worin die Bildung der Candidaten fast durchgängig mangelhaft und unbefriedigend war . Diese Grundlage kann nicht mehr nachgehohlt werden, sie kann ihren Einfluß nicht mehr auf ein beendigtes Studium aller andern Zweige der Medicin ausüben. Es ist daher eine grosse Anregung für meine Thätigkeit, wenn ich in dem gegenwärtigen Cursus, in welchem ich allein über die allgemeine Pathologie lese, auch allein für diesen so sehr wichtigen Zweig der medicinischen Bildung verantwortlich bin, und die verehrten Mitglieder der medicini- schen Facultät selbst ihr Vertrauen auf meine Bemühungen gesetzt haben. In meinen öffentlichen Vorlesungen über die Physiologie der Zeugung und des Embryo , welche die im verflossenen Sommer von mir privatim vorgetragene specielle Physiologie schliessen und zweimal wöchentlich gehalten werden, zähle ich nicht weniger als 80 Zuhörer. Die nunmehr in 3 Semestern fortgesetzten Lateinischen Disputirübungen über medicinische Gegenstände haben auch eine grössere Theilnahme gefunden. Die Aufgabe, welche Euer Excellenz mir bei meinem Abgange zur Rheinuniversität im Herbste 1824 gnädigst vorzuzeichnen geruht haben, bin ich demnach so glücklich, in so weit erfüllen zu können, daß ich in Verbindung mit den verehrten Mitgliedern der hiesigen medicinischen Facultät und in der freundschaftlichsten Beziehung zu allen einzel- nen zur Vervollständigung des Unterrichtes in dieser Facultät wesentlich beitragen kann und sogar die Aussicht habe, in meinen vergleichend anatomischen, physiologischen und pathologischen Vorträgen in der Folge fortdauernd ein organisches Ganze zu bilden. Es wird mein höchstes eifrigstes Bemühen seyn, in gewissenhafter Treue diesen Beruf zu erfüllen, den mir mein nunmehriges Verhält- niß zum gesammten medicinischen Unterricht auf der Universität bestimmt und deutlich genug vorzeichnet. In allen meinen wissenschaftlichen Bestrebungen wird die Gnade und Huld, die Euer Excellenz mir zugewendet und fürder zuwenden mögen, mir ein heilbringend Zeichen der Erhebung und Aufmunterung seyn. Und so gedenke ich, immer der in treuergebener Gesinnung, bittend, wünschend, hoffend, für Euer Excellenz hochtheures Leben und dessen segenreiche Erhaltung zu verharren. In tiefster Ehrfurcht, mit innigster Hochachtung und unwandelbarer treuer und dankbarer Gesinnung, Ew Excellenz ganz gehorsamster Diener Dr. J. Müller Privatdozent auf der Universität Bonn. Bonn am 2. Februar 1826.