Hochwohlgeborner Herr Freiherr, Hochgebietender und Höchstzuehrender Herr wirklicher Geheimer Staatsminister der Geistlichen- Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten. Gnädiger Herr. Es ist nunmehr ein Jahr verflossen, da ich auf die gnädige und huldreiche Entscheidung des Hohen Ministerii der Geistlichen- Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten mich von der Königlichen Rheinuniversität nach Berlin verfügt habe, um mich sowohl durch den Vortrag der ausge- zeichneten Männer im Gebiete der Natur- wissenschaften als durch fortgesetzte Studien in den Königlichen Museen zu einer academischen Laufbahn ferner vorzubereiten. Da ich zu dieser Thätigkeit durch besondere Unterstützung zunächst nur auf ein Jahr von der Hohen Staatsbehörde angewiesen war, indem dieselbe sich vorbehielt, meinen fernern Aufenthalt im Inn- oder Auslande zu meiner grössern Ausbildung nach Maßgabe der Umstände zu bestimmen, so hielt ich es der Pflicht angemessen, Eure Hochfreiherrliche Excellenz, durch deren gnädige Theilnahme und Aufmerksamkeit eine so glückliche Bestimmung meines Lebens eingeleitet worden, von der Art der Verwendung einer so kost- baren Zeit und so umfassender Mittel in Kenntniß zu setzen, um zugleich Hochdenselben in Betreff meiner nunmehrigen Beschäftigung Behufs des Eintritts in eine academische Wirksamkeit eine auf den Erfolg meiner bisherigen Vorbereitung und auf den besondern Rath derjenigen Männer, unter deren Einfluß mein Bildungsgang während meines hiesigen Aufenthaltes gestanden ist, gegründete Vorstellung unterthänigst vorzulegen. Überzeugt von der ganzen Wichtigkeit einer so glücklichen Stellung in dem vortheil- haftesten Zeitpuncte, ward ich während meines Aufenthaltes in Berlin durch jeden neuen Gewinnst mehr und mehr in der tiefsten Verehrung gegen die Hohe Staatsbehörde bestärkt, durch deren besondere Gnade mir möglich geworden war, meinem Leben auf immer diejenige ausschließliche Richtung zu geben, die zu verfolgen einziges Ziel und Wunsch geworden und worin allein ich meine endliche Bestimmung vollkommen erreichen zu können glaubte. Meine frühern Arbeiten Arbeiten zu diesem Zweck, waren nur die erste Vorbereitung; sie mussten zerstückelt seyn, da ich in einem begrenzten Zeitraume mehr- fachen Anforderungen unter sonst ungünstigen Verhältnissen zu genügen hatte. Ich hatte nun keine Rücksicht mehr, ausser der einen Bestimmung, die Erwartungen, die von mir gemacht worden waren, zu erfüllen. - Eifrig und redlich bemüht, eine Summe von Kenntnissen unter den glücklichsten Einflüssen zu erweitern, Unvollständiges zu ergänzen, jede bewusste Lücke der Bildung an der reichsten Quelle mit ihrem Inhalte zu füllen, würde ich im Verfolg einer belohnten Bestrebung von Tag zu Tag auch mit neuen ungekannten Mängeln mit neuen Schwierigkeiten vertraut. Ich wurde mit dem Reichthum manchen Gebietes bekannt, dessen Existenz ich nur wusste oder vermuthete. - Die Grenzen von dem was noch übrig war, wurden nicht enger, aber bestimmter. - Wenn ich den Zeitraum einer mühsamen und durch Mehrfachheit des Zweckes und der Aufgabe zerstreuten Vorbereitung mit dem Erfolge dieser zweiten freien Bildungsperiode vergleiche, glaube ich freudig die letztere Periode als die erfolgreichste und wichtigste in meinem Bildungsgange anerkennen zu müssen. - Im Allgemeinen waren meine Beschäftigungen gemäß dem vor einem Jahre dem Hohen Ministerio vorgelegten und gnädigst von demselben aufgenommenen Plane angeordnet. Ausser den Vorträgen der ausgezeichneten Männer in den Naturwissenschaften war immer ein Hauptzweck, in den Königlichen Museen, wie es einem redlichen und treuen Streben in so viel Zeit gelingen mochte, eine Masse von Kenntnissen und Anschauungen aus der Thierwelt zu sammeln, umfassend genug, um als Grundlage für ein späteres wissenschaftliches Leben zu dienen. Sehr aufmunternd und unterstützend war in dieser Beziehung , die ausserordentliche Güte und Bereitwilligkeit derjenigen Männer, welche diesen Instituten vorstehen. - So wurde ich im Sommer 1823 mit den Schätzen des anatomischen Museums bekannt und arbeitete bis zum Winter desselben Jahres und seit der Wiedereröffnung dieses Institutes im Frühlinge unausgesetzt unter der Leitung des Herrn Geheimrath Professor Rudolphi in Gegenständen der vergleichenden Anatomie. - Auf gleiche Weise beschäftigte mich im Sommer und Herbste des verflossenen Jahres das zoologische Museum, wo ich nicht minder die besondere Güte und Gefälligkeit des Herrn Professor Lichtenstein erfahren habe. Durch die Güte des Herrn Geheimrath Klug bin ich seit dem Frühlinge damit beschäftigt gewesen, den Reichthum des entomologischen Museums kennen zu lernen. Die reiche Bibliothek und die Privatsammlungen des Herrn Geheimrath Rudolphi wurden durch das ausgezeichnete Wohlwollen dieses meines hochverehrten Lehrers für mich eine fruchtbare Quelle vielfacher Belehrung. - Und so wurde jedes entfernteste geistige Bedürfniß erfüllt in einem Masse, wie ich es selbst nicht zu wünschen wagte. Unter den Vorträgen, die ich zu hören Gelegenheit hatte, waren mir die Vorlesungen der Herren Professoren Rudolphi, Ermann und Hegel von ganz besonderer Wichtigkeit. Auch die practischen Anstalten und die Vorträge ausgezeichneter Ärzte und Lehrer über practische Medicin und Chirurgie wurden gemäß dem ursprünglichen Entwurfe keineswegs versäumt. - Ich kannte zu sehr den Werth meiner Aufgabe während dieser Zeit, um mich sofort mit besondern selbstständigen grössern Arbeiten hinzuhalten, eine Beschäftigung, die zu jeder andern Zeit füglicher als jetzt statt finden konnte, um so mehr, da die Prüfungen zur Erlangung der Approbation als practischen Arztes, denen ich mich in Folge der gesetzlichen Bestimmung des Hohen Ministerii zu unterwerfen hatte, den mir zugemessenen Termin um ein Bedeutendes zu schmälern drohten. - Gleichwohl wurde unter Unterbrechung der grössern planmässigen Arbeiten Manches auch für besondere Zwecke zu späterer Ausführung gesammelt, Anderes, so weit die reichen Materialien, die mir anderswo nicht ersetzt werden konnten, aus- reichten, auf das genaueste verfolgt, um bald wieder der allgemein gestellten Aufgabe es unterzuordnen; vieles Anatomische nach eigenen Präparaten gezeichnet, Einzelnes auch radirt. - Eine fast dauernde Unterbrechung während dreier Monate erlitten meine natur- wissenschaftlichen Studien durch die mit den medicinischen und chirurgischen Staatsprüfungen verbundenen vielfältigen Arbeiten in deren Folge mir die Approbation als practischer Arzt und Operateur mit dem den Prädicate Prädicaten "vorzüglich gut" in der Medicin und "recht gut" in der Chirurgie vom 27sten März d. J. von dem Hohem Ministerio ertheilt wurde. - Seit jenem Zeitpuncte wurden meine Studien und Ar- beiten wieder unausgesetzt in der Art, wie ich es schon vorher anzugeben die Ehre hatte, - und waren für mich um befriedigender, je weniger zerstreut und unterbrochen sie nun seyn durften. - Unter diesen Umständen und nachdem der mir von dem Hohem Ministerio gnädigst zu nächst bestimmte jährige Termin Behufs meiner fernern naturwissenschaftlichen Aus- bildung abgeschlossen ist, bleibt mein Plan im Wesentlichen derselbe, wie ich ihn vor einem Jahre in meiner Vorstellung, welche der ausserordentliche geheime Regierungsbevollmächtigte Herr Geheimrath Rhefues vermittelte, gehorsamst zu entwickeln die Ehre hatte. - Während einer jährigen Einleitung desselben konnte er nur entschiedener und bestimmter sich mir aufdringen. Mein Leben sollte, wenn es die äussern Verhältnisse möglich machten, ausschließlich der Anatomie, Physiologie und Naturgeschichte gewidmet seyn. Diese Verbindung schien mir bey dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft nothwendig. Es war dieses dreifache Ziel, dem ich gleichmässig nachzustreben suchte und das in der Physiologie seine höhere Einigung finden sollte. Wenn ich auch der Physiologie ins besondere immer mit vorzüglicher Liebe in meinen Vorarbeiten mich hinzugeben haben, so bin ich doch jetzt mehr als jemals überzeugt, daß nur vorzugsweise von der vergleichenden Beobachtung, und einer umfassenden Formen- geschichte die Physiologie gründliche Gewähr gefunden hat und finden wird. - Ich bin demnach Willens, mit Genehmigung des Hohen Ministerii im Wintersemester 1824 in dem bezeichneten Kreise Vorle- sungen auf der Königlichen Rheinuniversität zu eröffnen. Wie wenig meine Thätigkeit an diesen besondern Ort gebunden seyn möchte, und wie willig ich mich jedem mir höhern Ortes bestimmten Wirkungskreise, gehorsamst unterziehen würde, so halte ich doch die genannte Universität für den Anfang meiner academischen Laufbahn die geeignetste, einmal weil ich die Hoffnung hegen darf, in der Kenntniß der dortigen wissenschaftlichen Verhältnisse in der kürzesten Zeit eine für mich passende Wirksamkeit zu erhalten; dann aber, weil mir dadurch vergönnt wird, ein eingeleitetes schönes Verhältniß mit den Lehrern, denen ich meine erste Bildung danke, wieder genauer anzuknüpfen und fortzusetzen, namentlich aber mit einem Theil meiner früheren Lehrer sogar vereint und einträchtig zu demselben allgemeinen Zwecke zu wirken. Mit besonderer Rücksicht der dortigen Verhältnisse sollen meine Vorlesungen abwechselnd der Physiologie und ins-besondere auch einzelnen Theilen derselben; der vergleichenden Anatomie und einzelnen nach den Umständen erledigten Doctrinen der menschlichen Anatomie wie etwa der pathologischen und allgemeinen Anatomie, welche vielleicht zu einem und demselben Vortrage verbunden werden könnten, endlich aber in Verbindung mit den dortigen Lehrern einzelnen Zweigen der Naturgeschichte gewidmet seyn. Und so gedachte ich meine Vorlesungen auf der Rhein- universität durch Vorträge über die specielle Physiologie , über Physiologie der Sinne insbesondere oder statt der letztern über die Naturgeschichte der wirbellosen Thiere zu eröffnen. Lebhaft wünschte ich die Zwischen- zeit bis zu Anfang des Wintersemesters 1824 durch die passende und meinem Zwecke angemessenste Beschäftigung auszufüllen. In Erwägung also, daß mein Aufenthalt schon jetzt auf der Rheinuniversität ohne besondern Zweck ist, indem die Habilitation auf einer Lehranstalt, von welcher ich aus- gegangen und promovirt worden, keinen Zeitaufwand und keine besondere Vorbereitung an Ort und Stelle nothwendig machen wird, und in der gedachten besondern Absicht schien mir nichts geeigneter, vortheilhafter und wünschenswerther, als in der nun gewohnten Thätigkeit auf die schon angegebene Weise bis zu jenem Zeitpuncte hier ausharren zu können. - Insbesondere bestimmten mich aber folgende Gründe. - Ich war mit den in den hiesigen Königlichen Museen aufgestellten Schätzen hinreichend vertraut und in dieselbe eingeweiht, um in der kürzesten Zeit hier das Meiste für meine eigenen Zwecke voll- bringen zu können. Gleichwohl war mir inmitten meiner fortgesetzten Studien manche Seite in der einmal bewussten Zeitbeschränkung nur oberflächlich bekannt geworden, die den lebhaftesten Wunsch einer genauern Bekanntschaft nach Maßgabe der erlaubten Zeit in mir zurückließ. Auch dieses Bedürfniß konnte in der kürzesten Zeit an seinem Orte erfüllt werden, um so mehr da seit dem Frühlinge bis zum Herbste meine Studien durchaus keine Unterbrechung zu gewarten haben. - Sehr unterstützt wurde dieser Gedanke durch das höchst wohl- wollende Anerbieten des Herrn Geheimrath Rudolphi , dem ich während meines hiesigen Aufenthaltes in der vielfachsten Beziehung unendlich verpflichtet bin, den Schatz eigener zum Theil noch nicht unter- suchter Gegenstände, für Zoolgie und Anatomie und Physiologie von gleicher Wichtigkeit, zu eigener Untersuchung aufzuschließen. - Diese Gründe waren lebhaft und dringend genug, um selbst den Wunsch nach einer wissenschaftlichen Reise ins Ausland, auf dessen Ausführbar- keit das Hohe Ministerium in seiner frühern Entscheidung höchst gnädig hin- gewiesen hatte, für die Gegenwart zu verdrängen. Paris konnte mir aus den schon angegebenen Gründen bey weitem das nicht geben, was ich unter so glücklichen Einflüssen in Berlin zu gewinnen im Stande war. Überdies schien es gerathener, diese Ausflucht später von Bonn aus zu machen, die dann um so kürzer seyn konnte, um so mehr ein längerer Aufenthalt in Berlin Vieles im Auslande entbehrlich gemacht haben würde. Auch musste die Zwischenzeit einer academischen Wirksamkeit sehr wohlthätig auf den Erfolg einer wissen- schaftlichen Reise und in vielen Dingen auch bestimmend auf den Zweck derselben wirken. - Indem ich diese Wünsche und Absichten in ihrer Ausführbarkeit überlegte, sah ich mich in derselben Hülfslosigkeit, welche meine Studien zum grossen Theile begleitet hatte und mir ein sehr enges Ziel gesetzt haben würde, wenn ich nicht das ausserordentliche Glück gehabt hätte, recht frühe der huldreichen Aufmerksamkeit einer weisen Staatsbehörde gewürdigt zu werden. Ich bin gewohnt, zu derselben Quelle der Gnade zurück zu kehren und bin in meinem Entwurfe in dem Gedanken glücklich, daß diejenige, welche mir den Aufenthalt an der Quelle so vieler Belehrung möglich gemacht, auch groß genug ist, meine Absichten, im Falle diese meine unterthänigste Vorstellung von Euer Excellenz gebilligt werden sollte, ausführbar zu machen. - Ich wurde noch kühner in meinem Entwurfe wenn ich überdachte, mit wie nachsichtsvoller Theilnahme Euer Excellenz nicht allein meine frühern Vorarbeiten gewürdigt, sondern wie Hochdieselben auch während meines Aufenthaltes in Berlin mir unver- geßliche Denkmale der Gnade und Huld gegeben. In der zuversichtlichen Hoffnung, daß Euer Excellenz ein angefangenes und zum grossen Theile vollbrachtes Werk gnädigst vollenden wollen, wage ich es, Hochdenselben die unterthänigste Bitte vorzutragen, daß es Euer Excellenz gefallen möge, meinen fortgesetzten Aufenthalt in Berlin und zwar in der gewohnten Thätigkeit bis zu Michaelis dieses Jahres, als zu welchem Zeitpuncte ich mich zum Antritt meiner academischen Laufbahn nach der Königlichen Rheinuniversität zu begeben gedenke, durch eine ausserordentliche Geldunterstützung von Seiten des Hohen Ministerii gnädigst möglich machen zu wollen. Es gereicht mir zur besondern Beruhigung diese meine gehor- samste Vorstellung einer wohlwollenden Unterstützung und sehr gütigen Bevorwortung von Seiten des Geheimrath Professor Rudolphi , meines hochverehrten Lehrers und Gönners unterordnen zu können. Ich werde die Wichtigkeit und den ganzen Werth dieser neuen Periode für meine Bildung, im Falle jene durch die besondere Gnade Eurer Hochfreiherrlichen Excellenz mir zu Theile werden sollte, zu stützen im Stande seyn; so daß ich zuver- sichtlich hoffen darf, dadurch um Vieles fähiger zu werden zu meiner Aufgabe, im treuen Dienst für den Staat und die Wissenschaft mein Leben unausgesetzt und unermüdet zu verwenden, in einem Staate, durch dessen wohlthätige Anstalten, durch dessen Reichthum zugänglicher Bildungs- mittel ich allein im Stande seyn werde, ihm so zu dienen, wie es in der grössten und freiesten Ausbildung aller individuellen Anlagen und Fähigkeiten möglich seyn wird. Euer Hochfreiherrlichen Excellenz unterthäniger Dr. Joh. Müller aus Coblenz ( Dorotheenstrasse n. 5) Berlin am 20 May. 1824.