Hochwohlgebohrener Herr Hochverehrter Herr Geheimerrath und Staatsminister! Ew. Excellenz vermag ich dieses Mal nicht ohne die begründete Besorgniß mich zu nahen, durch mein langes Schweigen und die bisher unterlassene Übersendung der zugesagten Mittheilungen, Ihren gerechten Unwillen erregt zu haben. ­ Ich wage es indeß nicht mich deshalb auf eine ausführliche Entschuldigung einzulassen, da eine solche nur in einer Auseinandersetzung individueller, zum Theil unerfreu- licher und drückender Verhältnisse bestehen könnte und erlaube mir nur die Bemer- kung daß ich dadurch daß ich bisher nicht vermocht habe dasjenige zu thun wozu mich Neigung und dankbare Verehrung doch so entschieden aufforderten, mich nicht weniger hart bestraft fühle, als ich es wohl verdienen mag. - Übrigens ist die innerliche Hemmung der ich bisher unterlegen, nunmehr so weit gewichen, daß ich hoffentlich in ganz kurzer Frist im Stande seyn werde das bisher Versäumte nachzuhohlen, ja ich würde Ew. Excellenz die gewünschte Anzeige meiner chro- matischen Bemühungen wohl schon mit dieser Sendung haben zukommen lassen können, hätte nicht der Überbringer dieser Zeilen, Herr Doctor Purkinje , so unerwartet plötzlich den Tag seiner Abreise auf morgen festgesetzt, so daß mir nur eben so viel Zeit bleibt Ew. Excellenz dieses vorläufige Lebenszeichen zu geben und damit die bestimmte Zusage zu verbinden, daß der zu lie- fernde Aufsatz spätestens binnen vierzehn Tagen gleichfalls nachfolgen soll, wobey ich es denn freylich dahingestellt seyn lassen muß, ob Ew. Excellenz den Abschluß des neuen naturwissenschaftlichen Hefts bis dahin zu ver- schieben für thunlich erachten. In beyfolgendem Kästchen, dessen Überbringung gleichfalls der Herr Dr. Pur- kinje übernommen hat, übersende Ew. Excellenz nebst mehrern, wie ich mich überzeugt habe wohlgelungenen, entoptischen Glasplättchen, einen magnetischen Condensator von 300 Windungen, nach der Angabe des Herrn Poggendorf , eines jungen hiesigen Physikers, in der Voraussetzung daß dieses die von Ew. Excellenz in dem durch Herrn Dr. Harnier mir über- brachten verehrten Schreiben Z 4. November 1822 bezeichnete Schleife von übersponnenem Draht seyn wird. Um Ew. Excellenz in den Stand zu setzen die electro­ magnetischen Versuche sogleich anzustellen, habe ich den kleinen Apparat durch Hinzufügung einer Magnetnadel, welche auf die innerhalb des Condensators befindliche Spitze gesetzt wird, einer dazu gehörigen Scheibe zu Beobachtung der Abweichung der Nadel nach Graden, und zweyer Plättchen von Zink und Kupfer, vervollständigen lassen. Zu Verbindung beyder Plättchen habe ich mich zunächst einer mit Salmiak angefeuchteten wollenen Zwischenlage bedient und dadurch bey Schlie- ßung der Kette eine Abweichung von ohngefähr 70° erhalten; ver- dünnte Schwefel- Salz- oder Salpetersäure bringen noch stärkere Abwei- chung hervor. Der Preis der ganzen Vorrichtung beträgt 3 Rth 2 Gr, mit deren Erstattung ich Ew. Exzellenz jedoch noch Anstand zu nehmen ersuche, da ich noch nicht weiß wie viel für die entoptischen Plättchen, welche ich ohne Rechnung vom Mechanikus erhalten habe, zu bezahlen ist. - Mit treuer Verehrung verharre ich Ew. Excellenz ganz unterthäniger Diener Leopold von Henning . Berlin den 6 ten Dezember 1822 .