Betreffend die Untersuchung demagogischer Verbindungen und Umtriebe acta specialia ./. v. Henning . Ewr Exellenz überreichen wir in der Anlage ganz gehorsamst unsere Original- Akten wider den Regierungs-Referenda- rius vHenning , bestehend aus 1 vol. spec: und 1 adhibendum anscheinend erheblicher, bei ihm in Beschlag genommener Papiere mit dem Bemer- ken, daß unsers gehorsamsten Dafürhaltens die Vernehmung des v Henning für den ge- genwärtigen Zweck erschöpft sey. Die stärksten, anscheinend gegen ihn spre- chenden Stellen der bei ihm vorgefundenen Briefe sind nachstehende: a) ein Schreiben des v. Selchow , seines O- heims, der unter dem 17 ten März 1817 ihn auffordert, mit einem Aufsatze vorsichtig zu Werke zu gehen, indem er durch- aus nicht geeignet sei, in fremde Hände zu kommen, und denselben durch den Überbringer wieder zurückgesandt verlangt. b) ein Schreiben des Grafen von der Lippe vom Oktober 1814, an Erichson : der vHenning möge uns ein wohlthu- end erneuerter äußerer Vereinigungs- punkt sein, wie dies einst 1807 in Ham- burg vHoff aus Gotha ebenfalls war und Euch werde Euer gegenseitig sich erschließendes Selbst eine eigene schöne Vereinigung. c) seines Bruders Julius vom 23 ten Junij 1815: ich halte es für Ehrenwerk, rühmlich bei dem Schwanken und der Ungewißheit Vieler fest und unerschüt- terlich bei der Parthei zu halten, die man noch für die beste und festeste er- kannt hat. Und sollte der jetzige Zu- stand Deutschlands auch durch diesen Krieg gewaltsame Umänderungen er- leiden, so steht es dann ja immer noch frei uns zur bessern Parthei zu schlagen. d) des verstorbenen vBrokes vom 9 ten May 1815: dennoch muß berechnet und vorbereitet werden, denn zum Stillesitzen ist das Geschlecht nicht gemacht, noch bestimmt. Was Du meinst über eine Parthey, welche einer schlimmen Wendung des Krieges sich bedienen dürfte, um den Versuch zu machen, in die gesammte Verwirrung Ordnung zu bringen, leuchtet mir ziem- lich ein, soweit es ihr Wollen betrifft, a- ber sie könnten auch leicht das Opfer wer- den - die Diplomaten sind immer noch stark in ihrer Schwachheit - Zahllose Stützen werden das alte morsche Gebäude auf- recht halten wollen, und es lange lange so hin- halten, wie unerträglich es auch Millio- nen sein möge, in der verfallenen Hüt- te zu hausen; - bei uns würde wohl nur eine allgemeine völlig unerträgliche Krie- gesnoth alle Kräfte in gehörig starke Bewegung bis zu völligen Explosionen bringen könne, und der Wahrscheinlichkeit nach würde sie immer nur theilweise recht arg bedrängen, und also die andern Theile nicht stark genug aufreitzen, be- sonders da alles geschehen würde, diese in Ruhe zu erhalten. e) und vBrockes Schreiben vom 15 ten May 1815, worin er den vHenning warnt, daß ihm nicht das Schicksal eines Schill zu Theil werde, und daß er nicht sich und seine Freunde ins Verderben stürzen möge. Er werde mit seiner Freimüthig- keit bald aufs schwarze Register gesetzt werden, seine Mutter habe sich vor seinen Aeußerungen entsetzt. f) des Carl Wieland | angeblich vSelchow unter dem fingirten Nahmen des Wie- land | aus Jena den 24 ten Februar 1818: Wie steht es mit der Bauernzeitung, und liefern wir doch ein Paar recht kräfti- ge Aufsätze, die auf einen Schlag die Blinden sehend, die Lahmen gehend, und die Tauben hörend machen. Kannst du das, so bist du ein großer Heiland. g) des Turnlehrers Salomon vom 9 ten Januar 1819: wie steht es in Berlin, sind deine Erwartungen getäuscht worden? Darüber bin ich neugierig dich zu hören? Was macht Jahn, Eiselen , Schuster ? Was meinst du zu allem? h) des Professor Arnold unterm 16 ten August 1815 aus Gotha : Was du in deinem letzten Briefe an- gedeutet hast, bewegt lange meine ganze Seele, ihm ist mein ganzes Sinnen geweiht. Doch nur der Wunsch, nicht die Mittel liegen mir klar vor der Seele. Aufmerksam habe ich hin und wieder wohl manche Zeichen bemerkt, manche Laute vernommen, doch das ist Al- les nicht genug. Mir scheint, daß man- che Dinge bei Tage, andere bei Nacht sich besser thun lassen. Sind die Leute nach schwerer Arbeit zu Bette gegangen, so schlafen sie sehr fest, und stehen un- gern sobald wieder auf. Wer dann aber sich wach zu erhalten weiß, mag alles thun , wenn er nur die Schlafen- den nicht aus den Betten werfen will; sie selbst, nicht andere, bekümmern sie. Doch über derlei Dinge klarer und aus- führlich zu sprechen, ist aus vielen Grün- den in Briefen nicht gut thunlich ; dies fordert die lebendigen und verklingen- den Worte und den wechselseitigen Aus- tausch. pp i) in seinem angefangenen Briefe an die Frau vWerther , und k) in deren Schreiben vom 26 ten März d. J. , insofern darauf ein, die Sand sche Mordthat lobendes Urtheil des vHen- ning hervorzugehen scheint, so wie noch andere Briefe ihn mehr und minder gra- virten, zu deren vollständigen Über- sicht wir den, aus denselben angefertig- ten Extrakt gehorsamst beifügen. Der vHenning hat aber allen hieraus wider ihn entstandenen Verdacht der Theilnahme an politischen Umtrieben unserer un- vorgreiflichen Meinung nach, in den Pro- tokollen vom 19 ten Julius, 11, 12, 18 und 19 ten August widerlegt, und es dürfte gegen ihn nur stehen bleiben, daß er besonders in früheren Jahren mit Erörterungen aus dem Gebiethe der Politik sich vorzugs- weise beschäftigt, und darüber, jedoch nur mit seinen nächsten Freunden correspon- dirt hat, was, soweit es über diejenige Gränze hinausreichen möchte, die das Wohl des Staates vorzeichnet doch durch- aus nicht handelnd ins Leben getreten ist, und mit der erregten Zeit, der thätigen Theilnahme des vHenning an dem öffent- lichen Leben |: er hat beide Feldzüge ge gen Frankreich mitgemacht :| und seinem wissenschaftlichen Streben, besonders auch in der Staatswissenschaft, in allen ihren Theilen sich auszubilden, dahin genügend erklärt zu sein scheint, daß aller Verdacht einer gefährlichen Tendenz desselben da- mit aufgehoben wird. Er behält ferner gegen sich, daß er die Petition an den Bundestag um Ein- führung einer landständischen Verfassung mit unterzeichnet hat. Hierüber hat er sich offen und vollständig ausgelassen, diesen Schritt selbst als einen falschen nicht in Ab- rede gestellt, und damit dürfte auch die- ser Punkt vollständig instruirt sein. Wir sind nach dem Vorstehenden der ehrerbietigsten unmasgeblichen Meinung, daß die sofortige Freilassung des pp. vHenning den Zweck der uns über- tragenen Untersuchung in keiner Art behindere, und richten hierauf hiermit unser ganz gehorsamstes Gesuch mit dem Anheimstellen, ihm zugleich seine sämmtlichen Papiere mit Ausnahme der dem Professor Jahn zugehö- rigen zurückgeben zu lassen, indem sie für die übrige Untersuchung nicht weiter nöthig sind. Schließlich bemerken wir ehrer- bietigst, daß wir auf das anbei zurückerfolgende Freilassungs-Ge- such des Referendarius vHen- ning , welches Se Durchlaucht der Herr PolizeyMinister Fürst von Wittgenstein uns den 14 ten August zum gutacht- lichen Bericht mittheilten, wegen der nahe bevorstehenden Schluß- Vernehmung des vHenning zu berichten unterlassen haben. Wir fügen die gehorsam- ste Bitte um möglichst bal- dige Rücksendung unserer beifolgenden Akten und geneigtest zu beschleunigen- de Entscheidung über die von Hennings ische Haft hinzu, indem derselbe auf den Fall der Freilassung schon am nächsten Montag nach seiner Heimath zum Besuch seiner besorgten Mutter ab- zureisen gedenkt. Am Rand mit Rötel doppelt angestrichen. Berlin den 20 ten August 1819 Königl. Ministerial-Untersuchungs-Com- mission Grano Kayser An den Königl. Geheimen Staats- und Minister des Innern und der Polizey, Ritter mehrerer hohen Orden pp Herrn von Schuckmann Exellenz