Berlin den 8ten Julius 1820 An den König. Staatskanzler Herrn Fürsten von Hardenberg Durchlaucht hier. cito. Ew. Durchlaucht haben mich mit- telst hochverehrlichen Schreib- bens vom 24ten v. M. , dessen beide Anlagen hiebey in der Urschrift zurück erfolgen, hochge- neigtest aufgefordert, den ehemaligen Referendarius von Henning bei dem öffentlichen Unterrichte im in der akademischen Fach Lauf- bahn zu beschäftigen, und demnächst, wenn die Um- stände es gestatten, und er seine wissenschaftliche Qualifikation hinreichend bewährt hat, fixirt anzu- stellen. Bei dem günsti- gen Zeugnisse, welches der ausserordentliche Regie- rungs Bevollmächtigte, Gehei- me OberRegierungsRath Schulz und der Professor Hegel dem p von Hen- ning wegen seiner bishe- rigen Repetitionen der von dem p Hegel gehaltenen Vorlesungen ertheilt hat, scheint es mir nicht nur beden unbedenk- lich, sondern auch zur wünschenswerthen Förde- rung eines gründlichen Studii der Philosophie auf der hiesigen Univer- sität zweckmäßig, daß der p von Henning noch einige Zeit hindurch als Repetent des Professors Hegel nicht sowohl förm- lich angestellt, als viel- mehr beschäftigt werde. Das Studium der spekulativen Philo- sophie, und das Auffassen eines streng gedachten phi- losophischen Systems, wie das des p Hegel ist, hat für Anfänger im spekulativen Den- ken - und dieses sind doch die meisten Studie- renden - so große und so eigenthümliche Schwie- rigkeiten, daß der Lehrer in dieser Wissenschaft dieselben durch seine Vorträge allein nicht beseitigen kann, falls er nicht Gefahr laufen soll, im Streben nach Popularität unphilo- sophisch zu werden. Es ist daher für viele Studierende ein Bedürfniß, und für den Lehrer der spekulati- ven Philosophie eine Er- leichterung in seinem ohnehin schwierigen Amte, daß ihm ein Jüngerer jüngerer Mann zur Seite stehe, welcher sein System bereits im Ganzen begriffen hat, und im Stande ist, die ein- zelnen Vorträge des Lehrers mit den Studie- renden auf eine geist- reiche Weise zu wieder- hohlen und durchzuarbeiten, sie in den Zusammenhang des ganzen Systems einzuführen, ihre blos subjektiven Vorstellung- gen, von welchen aus sie nicht selten einen spe- kulativen Begriff beur- theilen mögten, zu be- seitigen, und ihnen über diejenigen philosophischen Gegenstände, welche ihnen beim Vortrage des Lehrers undeutlich geblie- ben oder von ihnen schief und unrichtig aufgefaßt sind, das nöthige Verständniß zu eröffnen. Der p von Henning hat dieses fast drei Semester hindurch in Betreff der sämmtlichen Vorlesungen des Professors Hegel geth mit einem glücklichen Erfolge aus reiner Liebe für die Wissenschaft gethan, und dadurch nicht nur einen angelegentlichen Wunsch des p Hegel gethan erfüllt , sondern auch nicht wenig dazu beigetragen, daß der Antheil der Studie- renden an den Vorlesun- gen des p Hegel mit je- dem Semester gewachsen ist. Obwohl der p von Henning sich gegenwärtig als Privatdocent hier zu habilitiren, und sich einen selbständigen Wirkungskreis zu bilden beabsichtigt: so will er dennoch aus hoher Achtung für seinen bisherigen Lehrer, den Professor Hegel , fo noch einige Seme- ster fortfahren, die Vorlesungen desselben auf die bisherige Art, jedoch im Universitäts- Gebäude zu repetiren. Die Billigkeit fordert aber, daß dem p von Hen- ning für den bedeutenden Aufwand von Mühe und Zeit, welche ihm diese Repetitionen verursachen, eine angemessene Beloh- nung zu Theil werde, um so mehr da er jetzt fast sieben Jahren hin- durch erst als Freiwilliger in den Feldzügen gegen Frankreich, dann als Regie- rungs Referendarius, und später als Repetent des p Hegel unentgeldlich gedient, und in diesen ver- schiedenen Verhältnissen den Rest seines ohnehin geringen väterlichen Ver- mögens zugesetzt hat. Da indessen die Stelle eines Repetenten ihrer Natur nach nur eine vorüberge- hende ist; so bitte ich Ew. Durchlaucht ganz gehorsamst hochgeneigtest zu genehmi- gen, daß der p von Hen- ning noch bis zu Ostern 1822 sein Verhältniß als Repetent des Profes- sors Hegel fortsetze, und ihm in dieser Eigenschaft von Ostern d. J. ab eine jähr- liche Remuneration von vierhundert Thalern welche auch die Repetenten der hiesigen theologischen Fakul- tät erhalten, aus den Fonds der hiesigen wissen- schaftlichen Anstalten in vierteljährigen Raten bewilligt werde. Während dieses Zeitraums wird der p von Henning als Privatdo- cent zugleich Gelegenheit haben, sich Ansprüche auf eine fixirte Anstellung zu erwerben, und überhaupt zu zeigen, zu welchen Erwartun- gen er als öffentlicher Lehrer berechtigt. Berlin p N. S r Exc. Altenstein