Berlin den 3 ten August 1819 An des Königl. Geheimen Staats- und Policey- Ministers Herrn Fürsten zu Sayn-Witt- genstein Durchlaucht hier. Durchlauchtiger Fürst Gnädigster Fürst und Herr! Auf Ew. Durchlaucht hochverehrlichen Befehl sind am 7 ten v. M. meine sämmtlichen Papiere in Beschlag ge- nommen und ich selbst bin am folgenden Tage zur ge- fänglichen Haft gebraucht worden. Diese Maaßre- gel ist, nach der bey meiner ersten Vernehmung mir gemachten Eröffnung darin begründet, daß ich der Theilnahme an einer angeblich in Teutschland beste- henden und den gewaltsamen Umsturz der Verfas- sung der teutschen Staaten, und ins besondere des preußischen Staats bezweckenden geheimen Ver- bindung angeklagt worden bin. - Meiner völli- gen Schuldlosigkeit mir bewußt, und ohne die ge- ringste Kenntniß von dem Bestehen einer in so hohem Grade gesetzwidrigen und verwerfli- chen Verbindung, habe ich die bey meiner ersten Vernehmung von mir erforderte diesfalsige Erklä- rung, in diesem Sinne abgegeben und dabey drin- gend darauf angetragen mich, als schuldlos ver- haftet, auf das baldigste wieder in Freyheit zu se- tzen. In dem ruhigen Vertrauen daß die Überzeu- gung von meiner Schuldlosigkeit sich schnell ergeben werde, habe ich bisher meiner baldigen Entlassung zuversichtlich entgegen gesehen. Zu meiner innig- sten Betrübniß ist indeß diese Hoffnung unerfüllt geblieben udn es ist, da ich durch meine nunmehr fast vierwöchentliche Gefangenhaltung am Besuch der als Vorbereitung auf die von mir erwählte Laufbahn eines academischen Lehrers bisher auf der hiesigen Universität gehörten philosophischen Colle- gien gehindert worden bin, auf solche Weise für mich die allerempfindlichste Störung meiner wis- senschaftlichen Bestrebungen herbeygeführt wor- den - Ich habe bey meinen fernern Vernehmun- gen, über alle mir zur Beantwortung vorgeleg- te Punkte der strengsten Wahrheit gemäß ge- wissenhafte Auskunft gegeben, und ich darf mir schmeicheln daß im Laufe der gegen mich einge- leiteten Untersuchung, die über meine Unbescholten- heit entstandenen Zweifel bey meinen Inquiren- ten völlig verschwunden sind, und auch bey Ew. Durchlaucht verschwinden werden, sobald Höchst- dieselben von der Lage des Untersuchungsge- schäfts Kenntniß zu nehmen werden geruht haben. - Ich würde es sonach, in so hohem Grade auch überhaupt meine Freylassung mir am Her- zen liegt, nicht wagen Ew. Durchlaucht durch voreilige und blos in meinem persönlichen In- tresse begründete Bitten zu belästigen, da ich das feste Vertrauen hege daß Höchstdieselben schon aus eigner Bewegung meine Entlassung und Freyspre- chung beschleunigen werden so viel es die Umstände verstatten, - wenn nicht noch ein anderer Umstand es mir zur Pflicht machte nichts zu versäumen was zur schnellern Erledigung meiner Angelegenheit gereichen kann und sonach nach der Beendigung der noch auf andere Personen erstreckten Untersuchung mich Ew. Durchlaucht ehrerbietigst mit meinen diesfalsigen Gesuche zu nahen. - Ich habe es näh m- lich bisher für angemessen gehalten meine Mut- ter, die als Wittwe mit meinen sechs jüngern Ge- schwistern in Gotha lebt, mit der Nachricht von me i- ner Gefangenhaltung und der gegen mich schwe- benden Untersuchung zu verschonen, da deren du rch eine Reihe schmerzlicher Verluste, nahmentlich durch den im Felde erfolgten Tod meines Vaters und dr ey älterer Brüder, in hohem Grade geschwächte Ge- sundheit von der Art ist, daß eine solche Nachri cht für dieselbe von den allerübelsten, ja ich muß leider hinzufügen lebensgefährlichen, Folgen seyn würde, und ich, mit der Geneigtheit meiner Mutter überall das Schlimmste zu fürchten, ver- traut, voraussehe, daß die bestimmtesten Ver- sicherungen über meine Schuldlosigkeit von we- nigem oder keinem Erfolg für ihre Beruhigung seyn, sondern wohl nur als zu ihrem Trost er- sonnen betrachtet werden würden. - Ich schmeich- le mir daß Ew. Durchlaucht in die Wahrheit die- ser Angabe kein Mistrauen setzen und mich der Unwürdigkeit, durch eine übertriebene Darstellung der Art einen persönlichen Vortheil erlangen zu wollen, für unfähig erachten werden. Ich berufe mich übrigens zu Bestätigung dessen was ich über die Gesundheitsumstände und die Stimmung meiner Mutter anführe, auf dem In- halt der der Untersuchungscommission vorliegend- den Briefe, sowohl von ihr selbst als auch von meiner ältesten Schwester udn nahmentlich auf einen vor wenigen Monaten von meiner Mutter erhaltenen Brief worin sie mir ihre Herstel- lung von einer kurzen aber gefährlichen Krankheit meldet und die Überzeugung aus- spricht, daß sie es nur zu deutlich empfinde daß eine jede heftige Gemüthsbewegung für sie verderblich und ihr schwacher Körper unfähig sey den Wirkungen des Kummers und der Sorge, wenn sie denselben von irgend einer Seite aufs Neue ausgesetzt werden sollte, länger zu widerstehen. - Ich habe sonach in der bestimm- ten Erwartung, daß sowohl meine Gefangen- haltung als auch die gegen mich eingeleitete Untersuchung nur von kurzer Dauer seyn wür- den, meiner Mutter auch aus dem Gefängnis völ- lig unbefangen und ohne alle Erwähnung des Unfalls der mich betroffen hat, geschrieben und ihr die be- reits früher wiederhohlt gegebene bestimmte Hoffnung, mich zu Ende diese Sommers während der hiesigen Universitätsferien, bey sich zu sehen, in der Art bestätigt, daß ich ihr versprochen habe, , sogleich nach dem Schluß meiner Vorlesungen, d. h. ohngefähr um den 15 ten d. M. , von hier nach der Heimath aufzubrechen. - Meine Mutter bringt die erste Hälfte dieses Monats in der Ge- gend von Nordhausen, bey Verwandten zu und ist entschlossen mich dort zu erwarten, wenn sie darauf rechnen kann, daß ich wenigstens den 22 sten d. M. bey ihr eintreffen werde. Geruhen Ew. Durchlaucht aus dem Angeführ- ten zu entnehmen, von welchem hohem In- tresse es für mich seyn muß, nunmehr bal- digst meine Angelegenheit erledigt und mich in Freyheit gesetzt zu sehen, zunächst um deswillen, damit ich meiner Mutter, die auf Briefe von mir wartet, nunmehr doch im Laufe dieser Woche auf bestimmte Nachricht von meinem Kommen, oder - (was das schmerzlich- ste seyn würde wodurch ich getroffen werden könnte) von meinem Nichtkommen geben kann. - Zu näherer Begründung des von mir aus- gesprochenen ehrerbietigen Gesuchs, sey es mir verstattet Ew. Durchlaucht nochmals die feyer- liche Betheuerung zu wiederhohlen, daß ich weder Mitglied einer geheimen Verbindung der Ein- gangs erwähnten Art bin oder gewesen bin, noch daß ich von dem Bestehen einer solchen oder irgend einer geheimen Gesellschaft die mindeste Kenntniß habe, oder zur Theilnahme an irgend einer politischen Verbindung jemals aufgefor- dert worden bin, auch überhaupt an Umtrieben irgend einer Art zu Störung der öffentlichen Ruhe ein Antheil genommen habe. - Ich zweifle nicht daß Ew. Durchlaucht durch die Berichte der niedergesetzten Untersuchungskom- mission und die Einsicht meiner Untersuchungs- Protocolle und meiner Papiere, werden in den Stand gesetzt werden, sich von der Wahrheit je- ner Betheuerung zu überzeugen und gründe hierauf die Hoffnung nunmehr des baldigsten gänzlich freygesprochen, vorläufig aber we- nigstens aus dem Gefängniß entlassen zu werden. - Sollte vorerst nur das Letztere statt- finden können, so wiederhohle ich hier dies früher gegebene Versprechen, mich um der weitern Untersuchung zu entgehen auf keine Weise von hier zu entfernen und nahmentlich auch die beab- sichtigte Reise nach der Heimath nicht ohne Ew. Durchlaucht ausdrückliche Genehmigung anzutre- ten. - Sollte demnächst meine Gefangenhal- tung vielleicht nicht nur in der Besorgniß me i- nes Entweichens, sondern auch in der Absicht be- gründet seyn, mich auf solche Weise abzuhalten durch schriftlichen oder mündlichen Verkehr irgend einer Art, die eingeleitete Untersuchung zu ver- dunkeln oder derselben Hindernisse in den Weg zu legen, so sey es mir verstattet ferner zu er- klären, daß ich, völlig ohne persönliches Intres- se an dem Gegenstand dieser Untersuchung, auch auf keine Weise mich veranlaßt sehe, irgendet- was in dieser Beziehung zu unternehmen. - Da ich übrigens nicht verkenne, daß Ew. Durch- laucht, in Höchstdero erhabenen Stellung, ganz besonders den Wunsch hegen müssen, Maaß- regeln, die den Einzelnen hart treffen aber zur Sicherung der öffentlichen Ruhe für nöthig erachtet werden, in einer so aufgeregten Zeit wie die gegenwärtige ist, nicht auf eine leiden- schaftliche, bittere und gehässige Weise zur Publicität gebracht zu sehen, so trage ich kein Bedenken hiermit das, durch mein Ehrenwort in einer protocollarischen Verhandlung zu be- kräftigende Versprechen abzulegen, nicht nur hier in Berlin, mich über meine Ver- fehlung und das damit verknüpfte Verfah- ren gegen mich, nicht auf eine solche Weise zu äußern daß dadurch bey irgend Jemand ein ungün- stiges Urtheil über diese Maaßregel erzeugt wer- den könnte, sondern auch außerhalb Berlin und nah- mentlich in meiner Heimath, wo man von meiner Verhaftung wohl noch gar nichts wissen dürfte, dieses Ereignisses, zu dem Ende überhaupt gar keine Er- wähnung zu thun. - Da ich nicht das Glück habe Ew. Durchlaucht persönlich bekannt zu seyn, so stelle ich Höchstdenselben ehrerbietigst anheim, über meine Persönlichkeit nähere Erkundigung vom Geheimen-Staatsrath von Staegemann und dem Herrn Geheimen-Ober-Regierungsrath Koreff einzuziehen und ich zweifle nicht daß Ew. Durchl. auf solche Weise zur hinlänglichen Überzeugung von der Lauterkeit meiner Gesinnung gelangen wer- den. - Sollte es außerdem noch einer ander- weiten objectiven Gewähr dafür bedürfen, daß es überhaupt nicht in meiner Absicht liegen kann für den Unfall der mich betroffen hat außer der Rechtfertigung vor Ew. Durchlaucht, noch durch Erregung der öffentlichen Theilnahme oder sonst auf eine unziemliche Weise, Ersatz zu su- chen, so sey es mir erlaubt schließlich zu erwäh- nen, daß es meine Absicht ist im preussischen Staa- te, worin ich mit Grundeigenthum angesessen bin, für den ich die Waffen getragen und dem ich bereits mehrere Jahre mit Beyfall meiner Obern in der bürgerlichen Laufbahn gedient habe fernerhin als academischer Lehrer, und zwar zu- nächst hier in Berlin, zu wirken, und daß ich auch von meinen diesfalsigen wissenschaftlichen Bemühungen mich sogar des Erfolgs zu er- freuen habe, von meinem Lehrer dem Herrn Professor Hegel , des Herrn Staatsministers von Altenstein Excellenz, als Repetent in der philosophischen Fakultät der hiesigen Universi- tät vorgeschlagen worden zu seyn. In der hoffnungsvollen Zuversicht eines einer hoch- geneigten Berücksichtigung meines ehrerbietigen Gesuchs, verharre ich Ew. Durchlaucht Unterthänigster Leopold von Henning. Regierungs-Referendarius.