Hochwohlgebohrener Herr Hochverehrter Herr Staatsminister und Geheimerrath! Ew. Excellenz säume ich nicht, in Folge der in dem hochverehrten Schreiben aus Eger vom 11 ten l. M. Z 11. August 1822. Goethe an von Henning mir gnädigst ertheilten Erlaubniß, ehrerbietigst anzuzeigen, daß ich gestern hier in Gotha angelangt bin; während ich in frühern Jahren den heutigen seegensreichen Tag mit so vielen Tausenden in der Stille meines Herzens, oder auch mit gleichgesinnten Freunden beging, ohne daß ich es wagen durfte mich mit Ew. Excellenz mit dem Ausdruck meiner Empfindung zu nahen, - so ergreife ich die- ses Mal mit Freuden die mir dargebotene Gelegenheit, würdigern und gewichti- gern Stimmführern der öffentlichen Verehrung mich anzuschließen und, in dankbarer Erinnerung an Alles das Große was unserer Nation und mit ihr der gebil- deten Welt überhaupt durch Ew. Excellenz gewährt worden ist, den innigsten Wunsch auszusprechen, daß es uns noch lange vergönnt werden möge , uns durch das Bewußtseyn zu stärken und zu erfreuen, daß unserer theurer und hochverehr- ter Lehrer und Meister in heiterer Jugendkraft, auch unserm leiblichen Au- ge sichtbar, unter uns wandelt. Wenn übrigens ein Dichter des Alterthums, wie Aristoteles erzählt, auf seinem Standpunkt die Hinfälligkeit der Men- schen darin erkannt, daß sie das Ende dem Anfange nicht zu verknüpfen vermögen, so hat der Dichter der neuen Welt an sich selbst auf das Treff- lichste den Ausspruch jenes Alten bestätigt und widerlegt, indem er den Anfang mit dem Ende (den Begriff mit der Realität) in Eins zusammenziehend, somit in seinem eignen Thun die Wahrheit des Menschen dargestellt hat, während jener antike Ausspruch die Unwahrheit und Endlichkeit des Men- schen treffend bezeichnet. Und so bedarf es denn auch, gleichfalls zur Bestätigung und Berichtigung jener durch den Ausspruch des Simonides , wel- cher die Götter für neidisch erklärte, veranlaßten Äußerung des Aristote- les , daß man wohl wisse daß die Dichter zu lügen pflegten, nur der Erinnrung an die neidlose Gunst welche die Gottheit an unserm Dichter bewährt hat. - Ew. Excellenz halten mir wohl mein ungeschicktes Reden zu Gute, da Sie ja neuerlich noch bemerkt haben qu'il-y-a une fibre adorative dans le coeur humain , dem ich nur noch hinzufügen möchte, that there is something in your countenance which I like to call my master. - Als eine geringe Lehnsgabe und zugleich einen gar schwachen Versuch meinen treuen Willen für die gute Sache, die ich als mit der Ihrigen auf unzertrennliche Weise ver- einigt zu betrachten gewöhnt bin, zu bethätigen , wage ich es Ew. Excellenz hier- bey die wenigen Bogen zu überreichen, rücksichtlich deren ich, ohnge- achtet der vorläufigen Billigung Ihres Inhalts von Seiten Ew. Ex- cellenz, auf den Ausspruch gefaßt bin, daß sie besser ungedruckt ge- blieben wären. - Auf jeden Fall werde ich, was mein ferneres Thun anbetrifft, mich gewissenhaft an die Weisungen zu halten bemühen, wel- che Ew. Excellenz mir vielleicht in dieser Hinsicht zu ertheilen geruhen werden. - Mit lebhaftem Verlangen sehe ich dem Augenblick entge- gen wo es mir vergönnt seyn wird Ew. Excellenz persönlich meinen Dank für die bisher bewiesene huldvolle Theilnahme an meinen wissenschaftlichen Bemühungen abzustatten, und indem ich Höchstdenselben vor- läufig ein vom Herrn Geheimen OberRegierungsrath Schultz bey meiner Abreise von Berlin mir übergebenes Schreiben anliegend zu über- senden mich beehre, verharre ich ehrerbietigst Ew. Excellenz unterthänigster Diener Leopold von Henning . Gotha den 28 sten August 1822 .