1831, 18. Februar. Mit Johann Peter Eckermann Mit Goethe zu Tische. Wir reden über verschiedene Regierungsformen, und es kommt zur Sprache, welche Schwierigkeiten ein zu großer Liberalismus habe, indem er die Anforderungen der einzelnen hervorrufe, und man vor lauter Wünschen zuletzt nicht wisse, welche man befriedigen solle. Man werde finden, daß man von oben herab mit zu großer Güte, Milde und moralischer Delicatesse auf die Länge nicht durchkomme, indem man eine gemischte und mitunter verruchte Welt zu behandeln und in Respect zu erhalten habe. Es wird zugleich erwähnt, daß das Regierungsgeschäft ein sehr großes Metier sei, das den ganzen Menschen verlange, und daß es daher nicht gut, wenn ein Regent zu große Nebenrichtungen, wie z.B. eine vorwaltende Tendenz zu den Künsten, habe, wodurch nicht allein das Interesse des Fürsten, sondern auch die Kräfte des Staats gewissen nöthigern Dingen entzogen würden. Eine vorwaltende Neigung zu den Künsten sei mehr die Sache reicher Privatleute. Goethe erzählte mir sodann, daß seine ›Metamor phose der Pflanzen‹ mit Sorets Übersetzung gut vorrücke, und daß ihm bei der jetzigen nachträglichen Bearbeitung dieses Gegenstandes, besonders der Spirale, ganz unerwartet günstige Dinge von außen zu Hilfe kommen. »Wir beschäftigen uns,« sagte er, »wie Sie wissen, mit dieser Übersetzung schon länger als seit einem Jahre, es sind tausend Hindernisse dazwischengetreten, das Unternehmen hat oft ganz widerwärtig gestockt, und ich habe es oft im Stillen verwünscht. Nun aber komme ich in den Fall, alle diese Hindernisse zu verehren, indem im Laufe dieser Zögerungen außerhalb, bei andern trefflichen Menschen, Dinge herangereift sind, die jetzt als das schönste Wasser auf meine Mühle mich über alle Begriffe weiter bringen und meine Arbeit einen Abschluß erlangen lassen, wie es vor einem Jahre nicht wäre denkbar gewesen. Dergleichen ist mir in meinem Leben öfter begegnet, und man kommt dahin, in solchen Fällen an eine höhere Einwirkung, an etwas Dämonisches zu glauben, das man anbetet, ohne sich anzumaßen es weiter erklären zu wollen.«