1815, 15. September. Mit Sulpiz Boisserée Morgens war ich noch mit Goethe bei Serrand. Im Herausfahren war er dankbar dafür, daß ich ihn dahin geführt habe. Er sagte: so einzelne bedeutende Werke sind einem auf einmal mehr, als sonst hundert andere; es war ihm das liebste und lehrreichste in Frankfurt. In Hobbema, in Paul Veronese, in Rubens erscheint die Selbständigkeit der Kunst; wo der Kunst der Gegenstand gleichgültig, sie rein absolut wird, der Gegenstand nur der Träger ist, da ist die höchste Höhe; das erscheint auch im Wouvermann bei Brentano. Schon oft war dies Princip zwischen uns zur Sprache gekommen, zuerst und am auffallendsten am 7. draußen auf der Mühle; nachmittags als von der Beschreibung der Reise der drei Könige von Hemmelink die Rede war. Sie sei nicht recht; man müsse sie nicht mit der Verkündigung, sondern mit den drei Königen anfangen, welche auf den Bergen den Stern beobachten, und die andern Darstellungen episodisch mitnehmen. Sonst sei die ganze Art meiner Beschreibung gut, nur würde er sie nicht so machen, weil er eine ganz andere Ansicht der Kunst habe. Auf meine Frage, worin diese Verschiedenheit bestehe? wollte er anfangs nicht heraus. Es sei eine Antinomie der Vorstellungsart, da helfe alles nichts, sich darüber zu verstehen wäre vergebens. Wir hingen am Gegenstand, und müssen daran hängen, das sei recht, das gehöre zur ganzen Ansicht, aber es sei nicht das Höchste. Der Spielmann sei noch irgend anders begraben. Ich erwiderte, daß ich nicht begriffen, was er meine; ich glaube sehr, daß es einen Punkt gebe, worin wir zusammen kämen, und brauche das Gleichniß von einem Spitzbogen oder Parabel; einerseits setzte ich den Gegenstand, die Bedeutung, andererseits die Form, die Regel, das freie Spiel der Kunst, mit dem Gegenstand. Ich finde das Höchste nur in der Vereinigung von beiden; in Raphael zum Beispiel und in den schönsten antiken Werken. Er mußte sich damit zufrieden stellen, wollte aber nicht recht zugeben, daß es mir Ernst sei. Wir kamen wieder auf den Pantheismus, ich brachte es darauf mit einigen Neckereien, wegen dem Abstrahiren vom Gegenstand, und so waren wir bald im allgemeinen. Er sagte mir, in Beziehung auf meine Arbeiten, auf mein Treiben und Vorhaben, es gehe mir wie dem Seebeck; wir säßen im Fegefeuer, und dächten nicht, daß uns nur eine papierene Wand vom Himmel trenne. Hätten wir nur den Muth, diese durchzuschlagen, so wäre uns geholfen. Im vorigen Jahr hatte er mir gesagt, er hätte Freunde, die treffliche Arbeiten machten, er selbst hätte ihnen Vorschub gethan, ihnen seine Hefte gegeben u.s.w., aber sie könnten nie zur Ausführung kommen, da wäre immer etwas woran es fehle, sie würden nie fertig; das schien er diesmal zu verschiedenenmalen auch von Seebeck zu sagen. Merkwürdige Erfahrung, sagt Goethe, habe er gemacht an den Zeichnungen bei Wenner; keine behage ihm, und da sei doch der Gegenstand nicht Schuld, denn sie seien aus allen Zeiten. Er habe sich gefragt und gefunden, der Grund liege darin, daß sie alle nicht unmittelbar aus erster Quelle entstanden seien. Goethe hatte der Frau Willemer ein Blatt des Gingko biloba als Sinnbild der Freundschaft aus der Stadt geschickt. Man weiß nicht, ob es eins ist, das sich in zwei Theile theilt, oder zwei, die sich in eins verbinden.