1831, 17. Januar. Mit Friedrich Soret Ich fand Coudray bei Goethe in Betrachtung architektonischer Zeichnungen. Ich hatte ein Fünffrankenstück von 1830 mit dem Bildniß Karls X. bei mir, das ich vorzeigte. Goethe scherzte über den zugespitzten Kopf. »Das Organ der Religiosität erscheint bei ihm sehr entwickelt,« bemerkte er. »Ohne Zweifel hat er aus übergroßer Frömmigkeit nicht für nöthig gehalten, seine Schuld zu bezahlen; dagegen sind wir sehr tief in die seinige gerathen, indem wir es seinem Geniestreich verdanken, daß man jetzt in Europa so bald nicht wieder zur Ruhe kommen wird.« Wir sprachen darauf über ›Rouge et Noir‹, welches Goethe für das beste Werk von Stendhal hält. »Doch kann ich nicht leugnen,« fügte er hinzu, »daß einige seiner Frauencharaktere ein wenig zu romantisch sind. Indessen zeugen sie alle von großer Beobachtung und psychologischem Tiefblick, sodaß man denn dem Autor einige Unwahrscheinlichkeiten des Details gern verzeihen mag.«