1815, 14. Juni. Mit de l'Aspées Schülerinnen Bekanntlich hatte de l'Aspée, einer der besten Schüler Pestalozzi's, in Wiesbaden eine Elementarschule gegründet, welche ich [D. St. geb. Cramer] mit mehreren meiner Gespielinnen besuchte. Um den Namenstag unseres hochverehrten und innig geliebten Lehrers zu feiern, hatten wir einmal einige Zeilen aufgesetzt, in denen wir ihm unsere Glückwünsche darzubringen gedachten. Da taucht plötzlich in uns der Gedanke auf, daß Goethe sich vielleicht bewegen ließe, unsere Zeilen in Verse umzusetzen. Schüchtern naht sich die Kinderschaar dem großen Manne und trägt ihm ihr Anlegen vor, indem sie ihm die niedergeschriebenen Sätze übergiebt. Darauf erwiderte Goethe zuerst mit einem gelinden Verweise, daß wir ihm ein zu kleines Stück Papier gebracht hätten; man müsse, fügt er hinzu, stets auf einem großen Stück Papier beginnen, der kleine Raum beenge auch die Gedanken. Nachdem wir hierauf ein größeres Blatt herbeigebracht, schrieb Goethe, während wir ihm staunend zuschauten, in kurzer Zeit auf dasselbe einige Strophen, die den Inhalt unserer Worte genau wiedergaben. Noch heute sehe ich im Geiste den großen Mann, wie er erst einzelne Worte in angemessenen Zwischenräumen niederschrieb und dann, die Silben mit der Federspitze zählend, die Lücken allmählich ausfüllte, zuletzt zeichnete er unter die Verse eine aufgehende Sonne und schrieb auf ihre Strahlen unsere Namen, die er sich von uns nennen ließ.