1809, 6. November. Mit Adam Oehlenschläger So nahmen wir einen kalten Abschied. Das war mir aber in meiner tiefsten Seele zuwider; denn keinen Mann in der Welt liebte und schätzte ich mehr, wie Goethe, und nun sollte ich ihn vielleicht nie mehr im Leben sehen! Die Postpferde waren um fünf Uhr den nächsten Morgen bestellt. Die Uhr war halb elf des Abends; ich saß in meiner Stube betrübt allein, das Haupt an die Hand gelehnt, Thränen im Auge. Da ergriff mich ein unbezwingbares Sehnen, ihn noch zuguterletzt an mein Herz zu drücken, aber zugleich rührte sich auch in meiner Brust der Stolz gekränkter Ehre und ich wollte nicht in Demuth vor ihm erscheinen. Ich lief nach Goethes Hause und sah noch Licht; ich ging zu Riemer auf sein Zimmer und sagte: »Lieber Freund, kann ich nicht Goethe einen Augenblick sprechen? Ich möchte ihm gern noch ein Lebewohl sagen.« Riemer wunderte sich, weil er mich aber in Gemüthsbewegung sah und alles wußte, antwortete er: »Ich will es ihm sagen; ich will sehen, ob er noch nicht zu Bette ist.« – Er kam zurück und bat mich einzutreten, indem er sich selber entfernte. – Da stand der Verfasser [von] »Götz von Berlichingen« und »Hermann und Dorothea« im Nachtkamisol und zog seine Uhr auf, um zu Bett zu gehen. Als er mich sah, sagte er freundlich: »Nun, mein Bester! Sie kommen ja wie der Nicodemus.« – »Herr Geheimrath!« sprach ich, »erlauben sie, daß ich dem Dichter Goethe auf ewig Lebewohl sage.« – »Nun, leben sie wohl, mein Kind!« versetzte er herzlich. »Nichts mehr! Nichts mehr!« rief ich gerührt und verließ schnell das Zimmer.