1804, 1. Mai. Mit Johann Heinrich Voß d. J. Goethe schickte zu mir: ich solle doch ein wenig zu ihm kommen und den ganzen Abend bei ihm zubringen. Wie fand ich ihn da heiter und liebenswürdig! Er war eben vom Hofe gekommen, hatte aber schon die Staatsuniform abgethan und saß wieder in seinem blauen Überrocke. Ich fand ihn seine Medaillen und Münzen durchmusternd. Ich setzte mich zu ihm und hörte aufmerksam seiner lehrreichen Erklärung. Er besitzt eine treffliche Sammlung, die besonders dann Werth erhält, wenn man sie von ihm beschreiben und dem Gehalt und Inhalt nach entwickeln hört. Goethe war dabei überaus launig und witzig. Einmal sagte er mit halb scherzhaftem, aber doch ernstlich gemeintem Ausdrucke: »Was sind wir doch gegen die Künstler des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts? Wahre Taugenichtse! Was ist unser Jahrhundert gegen dieses kraftvolle!« – Er kam hierauf zu reden von der Peterskirche; sein Gespräch war erhaben wie der Gegenstand. Wie blitzen dem Manne die Augen, wenn ihm ein solcher Gegenstand die Seele füllt! Er erzählte mir die ganze Entstehung derselben; wie man die alte. Basilica Neroni's einzureißen angefangen, der erste kühne Gedanke zu diesem Bau; dann wie sich die Künstler geweigert und gezagt, den Grund zum neuen Gebäude zu legen, bis endlich Michel Angelo es unternommen; dann wie der Bau nachher oft unterbrochen und erst unter fünfzig Baumeistern vollendet werden. [Nach der fast gleichlautenden Erzählung in Voßens Brief an Solger vom 15. Mai lautete obiger Ausbruch Goethe: »Was sind wir doch gegen jene Künstler dieses kraftvollen Jahrhunderts? Wahre Schufte! wahre Taugenichtse!«]