1830, 6. Juni. Mit Friedrich von Müller Abends vor dem Hofe ein Stündchen bei ihm. Er war einwenig abgespannt und negirend, doch sehr freundlich. Ich gab ihm seines Sohnes Mailänder Briefe zurück, mich wundernd, daß er nichts vom Dom geschrieben. »Er weiß schon, daß ich mir nichts daraus mache, ich nenne ihn nur eine Marmorhechel. Ich lasse nichts von der Art mehr gelten, als den Chor zu Köln; selbst den Münster nicht.« Als ich ihm von dem edlen Streben der Frau Großfürstin, Weimar in der bisherigen Bedeutung, vorzüglich in socialer Hinsicht zu erhalten, erwiederte er: Das Streben ist recht und löblich, aber man muß nur den falschen Begriff einer Centralisation fern halten. Weimar war gerade nur dadurch interessant, daß nirgends ein Centrum war. Es lebten bedeutende Menschen hier, die sich nicht mit einander vertrugen; das war das Belebendste aller Verhältnisse, regte an und erhielt Jedem seine Freiheit. Jetzt finden wir hier kaum sechs Menschen, die zusammen in einen geselligen Kreis paßten und sich unterhalten könnten, ohne einander zu stören. Und nun ging er die bedeutendsten unsrer Männer durch mit epigrammatischer Schärfe und schneidender Kritik. »Darum,« damit schloß er, »entsage ich der Geselligkeit und hatte mich an die Tête à tête. Ich bin alt genug, um Ruhe zu wünschen. Ich habe keinen Glauben an die Welt und habe verzweifeln gelernt. Was für ein unseliger Kunstkenner ist Quandt. Lauter Tobiase zu acquiriren! sind doch die Dresdner selbst blind und bedürfen der Fischblase allerseits. Vielleicht wird in der Elbe einmal ein tüchtiger Hecht gefangen, mit dessen Leber sie sich die Augen auswischen können.« Er redete mir sehr zu, Müffling's Gedicht an den Großsultan dem ich »Chaos« zu überlassen.