1810, 18. bis 24. September. Mit Luise Seidler Als meine Nachbarin bemerkte, daß Goethe später oft in der Galerie auf- und niederwandelte und mit mir über Gemälde sprach, bat sie mich, ihn gelegentlich über die Bedeutung einer Schnecke zu fragen, welche im Vordergrunde einer .... »Verkündigung« von Mantegna angebracht war. Ich benutzte einen günstigen Augenblick dazu, als der Dichter am nächsten Morgen wie gewöhnlich die Galerie besuchte. »Diese Schnecke ist ein Zierrath, meine Freundin, welchen die Laune des Malers hier angebracht hat. (Ich hole Sie heute mit dem Wagen ab, wir fahren zusammen spazieren!)« flüsterte er mir dazwischen in aller Schnelligkeit zu; dann fuhr er in seinem vorigen Tone fort: »Die Maler haben oft solche Phantasien und Einfälle, denen nicht immer eine tiefere Beziehung zum Grunde liegt.« Er beendete nun seine Belehrung, als sei jene Einschaltung gar nicht gemacht worden. Gegen Abend kam wirklich der Wagen; Goethe und Seebeck saßen darin; wir fuhren an dem herrlichen Augustabend [Gedächtnisfehler ?] durch Dresdens reizende Umgegend. So geschah es mehrmals; ich erlebte köstlichste Stunden .... Goethes Abschied von Dresden wurde mir erleichtert durch seine Einladung, ihn im Winter in seinem Hause zu besuchen. Er wollte mir erlauben, ihn zu malen, um mich dadurch als Portraitmalerin bekannt zu machen. Auch wünschte er, daß ich ihm meine Arbeiten zuschicke, damit er sie den Weimarischen Fürstlichkeiten zeige.