1772, April. Mit Caroline Herder geb. Flachsland Unser Freund Goethe ist zu Fuß von Frankfurt gekommen und hat Merck besucht. Wir waren alle Tage beisammen und sind in den Wald zusammengegangen und wurden auch zusammen durch und durch beregnet. Wir liefen alle unter einen Baum und Goethe sang uns ein Liedchen, das Sie aus dem Shakespear [»Wie es euch gefällt«, II, 5.] übersetzt, »Wohl unter grünen Laubes Dach,« und wir alle sangen den letzten Vers mit: »Nur eins, das heißt auch Wetter.« Das zusammen ausgestandene Leiden hat uns recht vertraut gemacht. Er hat uns einige der besten Scenen aus seinem »Gottfried von Berlichingen«, das Sie vielleicht von ihm haben, vorgelesen ..... Goethe steckt voll Lieder. Eins von einer Hütte, die in Ruinen alter Tempel gebaut, [»Der Wanderer«] ist vortrefflich; er muß mir's geben, wenn er wiederkommt, und theil ich's Ihnen, lieber bester Herder, mit. Merck hat ihm von unsrer Lila erzählt, und hier theile ich Ihnen etwas aus seinem Herzen mit, das er an einem schönen Frühlingsmorgen, da er allein in dem Tannenwald spazieren ging, gemacht hat. Der arme Mensch erzählte meiner Schwester und mir den Tag vorher, daß er schon einmal geliebt hätte, aber das Mädchen hätte ihn ein ganzes Jahr getäuscht und dann verlassen; er glaubte, daß sie ihn liebte, aber es kam ein anderer, und er wurde der arme Koxkox.