1827, 7. September. Mit Friedrich von Müller Viel zu kalt meiner Meinung nach, nahm Goethe Schukowsky's herrliches Abschiedsgedicht auf, wiewohl er etwas Orientalisches, Tiefes, Priesterliches darin anerkannte. Er war heute ein ganz anderer wie vorgestern. Meyer's Nähe mochte einwirken, vor dem er sich gleichsam scheut, Gefühl zu zeigen. Dieser kam mir heute recht mephistophelisch vor, so kalt, so weltverachtend, so lieblos. Das Gedicht 1 über Weimar, welches der König von Bayern mir aus Fulda überschickt hatte, schalt Goethe als zu subjectiv; es sei gar nicht poetisch, die Vergangenheit so tragisch zu behandeln, statt reinen Genusses und Anerkennung der Gegenwart, und jene erst todtzuschlagen, um sie besingen zu können. Vielmehr müsse man die Vergangenheit, so wie in den römischen Elegien, behandeln. Graf Löben habe auch einmal ihm, Goethen, zum Geburtstag vorgesungen, wie er ihn erst nach seinem Tode recht loben wolle. Weil die Menschen die Gegenwart nicht zu würdigen, zu beleben wüßten, schmachteten sie so nach einer bessern Zukunft, coquettirten sie so mit der Vergangenheit. Auch Schukowky hätte weit mehr aufs Object hingewiesen werden müssen. Darauf las ich ihm meine Antwort an den König vor, mit der der Großherzog und die Großherzogin sehr zufrieden gewesen waren. Sie schien ihm jedoch nicht ganz zu behagen; doch wollte er in kein Detail eingehen, entschuldigend, daß er heut zu müd' und schlaff zur Kritik sei. »Ihr macht schöne Verse ohne die Verskunst; ihr haltet passende Reden ohne die Rhetorik studirt zu haben. Das geht wohl recht gut eine Zeit lang, aber zuletzt reicht es doch nicht aus.« Er versprach, ein andermal sich näher auszusprechen. 1 Nachruf an Weimar: Träume her aus einem schönern Leben u. s. w. unter dem 3. Sept. an Müller gesandt.