1826 (?). Mit Karl Vogel Ich [Julius Schwabe] hatte eines Tages Gelegenheit, mit dem Staatsrath Vogel, der Goethe's Leibarzt in dessen letzten Lebensjahren war und von ihm hochgeschätzt wurde, über Goethe's Herzenseigenschaften zu sprechen. Er erzählte mir, daß Goethe, kurz nachdem Vogel sein Arzt geworden, eines Tages zu ihm gesagt habe: ›Sie kommen als Arzt wol oft in die Wohnungen des kleinen Mannes; sollten Sie irgendwo gewahr werden, daß man einer durch Krankheit in unverschuldete Noth gerathene Familie durch etwas mehr, als ein gewöhnliches Almosen aufhelfen könnte, so theilen Sie es mir mit. Ich bin in solchen Fällen gern zu helfen bereit, soweit ich es vermag.‹ Kurz darauf war Vogel wieder bei Goethe und sagte zu ihm: »Excellenz, ich komme soeben von einem Kranken, für den ich den, von Ihnen so gütig angebotenen Beistand in Anspruch nehmen möchte. Es ist der Tischler N., ein fleißiger braver Mann, der seine zahlreiche Familie bisher redlich durchgebracht hat. Jetzt ist er nach längerer Krankheit der Genesung nahe, sieht aber mit schwerer Sorge in die Zukunft, da er durch seine Krankheit in bittere Noth gerathen ist.« Schweigend ging Goethe an seinen Schreibtisch, nahm eine Fünfzehnthalerrolle heraus und legte sie in Vogel's Hand. ›Hier ist, was ich geben kann,‹ sprach er, ›ich thue es aber mit der Bitte, daß weder der Tischler noch irgend jemand erfahre, wer der Geber ist. Ihre Vermittlung werde ich Ihnen auch in Zukunft danken, aber stets in der Voraussetzung, daß die Sache unter uns bleibt.‹ Noch oft trat diese Vermittlung ein, und nie that Vogel eine Fehlbitte, und die Gabe betrug nie weniger, meist aber mehr, als fünf Thaler.