a. Endlich den 23. Januar kam es zu der längst gewünschten Unterredung. 1 Sie fuhr früh in Begleitung ihres Freundes Constant zu ihm und brachte fast eine Stunde bei ihm zu, nachdem sie ihm schon den Tag vorher die Übersetzung von seinem »Geistesgruß« zugeschickt hatte. Der Gegenstand der Unterhaltung war vorzüglich der Unterschied zwischen der französischen und deutschen Poesie. Jene, sagte Goethe, sei Poesie der Reflexion, diese der Situation; der Franzose schildere das Erscheinen, der Deutsche das Sein. Übrigens bemerkten beide bei dieser Unterredung, daß er sich sehr ungern etwas abfragen oder auf sich eindringen lasse, daß dann gleichsam seine Natur reculire und sich in sich zusammenziehe. Freilich schonte ihn Frau von Stael nicht immer. Sie sprach z.B. mit tiefem Bedauern von Herder und ging so weit, sehr freundschaftlich von mir [Böttiger] zu urtheilen und meinen Abgang von Weimar für einen Verlust zu erklären, ohngeachtet sie wohl wußte, wie ungern Goethe dies höre. Seine ganze Antwort auf alle diese Bemerkungen war: »Es ist einmal so: die Älteren müssen den Jüngeren Platz machen.« [»C'est dans l'ordre: ce qui vieillit, fait place à la jeunesse« führt Bottiger die Worte im Brief an Rochlitz vom 4. Februar 1804 an.]