1788, 4.-8. September. Mit Caroline Herder Goethe sagte neulich: »Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.« Ehe ich weiter schreibe, will ich Dir auch etwas von der Kochberger Fahrt sagen. – Den 5. früh 6 Uhr fuhren wir ab: Goethe, die kleine Schardt, ich und Fritz [v. Stein]. Der schönste Himmel war's, kein Wölfchen den ganzen Tag; wir waren alle gleich heiter gestimmt. Die Schardt ward über ihre Zuneigung zu den Engländern sehr raillirt, Goethe hat ihr vornehmes und bornirtes Wesen detaillirt, ist über das Betragen des Hofs gegen sie ziemlich piquirt und hat offen und sehr vernünftig darüber geredet. Um halb 11 Uhr hatten wir den stoßigen Weg geendigt. Lotte Lengefeld kam zuerst, uns zu empfangen, dann die Frau v. Stein, die uns alle freundlich empfing, doch ihn [Goethe] ohne Herz. Das verstimmte ihn den ganzen Tag. Wir sahen Zeichnungen, die er mitgebracht. Nachmittag schlief er, und Abends las ich ihr Stellen aus Deinen Briefen vor. Das gab nun eine allgemeine Wärme und Theilnehmung. Tags vorher hatte Goethe dem Prinz August und dem Herzog über das Christenthum [aus den »Ideen«] vorgelesen, die es außerordentlich erfreut hatte. Da bekam er nun in Kochberg einen Brief hierüber, den er Dir schicken wird. Wir sprachen viel von Dir. Der andere Tag war in allem diesem gleich, nur daß Goethe einiges las, das er in den »Merkur« geben will: etwas über die Kunst, Beobachtungen über die Witterung und von der heiligen Rosalia in Palermo ..... Den Sonntag gings nach Rudolstadt in's Lengefeldische Haus, das eine herzgute Familie ist. Schiller war auch da; Goethe betrug sich gut gegen ihn und es war eine gute Stimmung. Die Gegend ist schön. Abends nach Kochberg im Mondschein. Goethe sagte das Gedicht über die Rosenkreuzer [»Die Geheimnisse«] und erzählte aus dem »Tasso«. Den andern Tag gings wieder nach Hause über Orlamünde und Jena in dem unvergleichlichen Saalthal und schönsten Wetter. Durch Schiller's Gedicht über »die Götter [Griechenlands«], das Du kennst, kam Goethe auf die Eigenschaften, die die Alten in ihren Göttern und Helden in der Kunst dargestellt haben, wie es ihm geglückt sei, den Faden des Wie hierin gefunden zu haben. Er hat hierüber mit Dir, da ich zuhörte, viel gesprochen. Er sagte endlich: wenn Ludwig XIV. noch lebte glaubte er durch seine Unterstützung die ganze Sache ausführen zu können; er hätte einen Sinn für das Große gehabt. Mit 10-12000 Rthlrn. des Jahrs könnte er's in zehn Jahren – in Rom allein, versteht sich's – ausführen. Der moralische Sinn darinnen hat mich sehr gerührt. Ihr beide geht wie zwei Genien der Menschheit zu einem Ziel. Gar schön war's, wie er sagte, daß ein einzelner Mensch nie einen Charakter in dem höchsten Ausdruck haben könne; er würde nicht leben können: er müßte vermischte Eigenschaften haben, um zu existiren. Er war in der Stunde, da er dies alles Sprach, recht in seinem Himmel und wir haben ihm endlich versprechen müssen, mit niemand davon zu reden. Du warst natürlich nicht darunter begriffen; denn Du gehörst ja ganz eigentlich und allein zu diesem Gespräch. Dich vermißt er je länger je mehr. Mit Knebel kann er über nichts reden, sagte er; Du verstehst ihn und hilfst ihm vorwärts durch Dein Studium. In Jena aßen wir den Mittag bei Knebel, der durch die hiesige Wirthschaft ziemlich verstimmt war. – – – – – – – – – – – – – Gehe ja gleich auf's Land nach Tivoli etc., damit das schwere Rom Dich nicht so sehr drückt. Goethe sagte, wenn er wieder nach Rom käme, würde er von 12 Uhr bis 2 schlafen, die Stunden vor dem Essen. Viele thäten es so und befänden sich wohl. Einen seidnen Gürtel, der dort Morgens und Abends getragen wird, unter der Weste, kaufe ja bald und vergesse ihn besonders des Abends nicht; man trägt ihn in der Tasche mit sich, um ihn immer zu haben.