1826, 17. Mai, Vormittag. Mit Sulpiz Boisserée Morgens halb 3 Uhr bin ich in Weimar angekommen. Nachdem ich im Gasthof zum Elefanten bis um 9 Uhr geschlafen hatte, schrieb ich ein Briefchen an Goethe; er ließ mich sogleich kommen. Es war 11 Uhr; ich fand ihn in seinem Arbeitszimmer; er empfing mich mit Thränen in den Augen recht herzlich. Er sieht gut aus, ist aber etwas matt im Gespräch, dann und wann sein Gehör etwas schwächer; auch fehlt wohl einmal das Gedächtniß für die kurz vergangenen Dinge. Er liest den Globe mit vielem Antheil; überhaupt nimmt ihn die Gegenwart sehr in Anspruch, die Händel von Voß [mit Creuzer] u.s.w ..... Wir aßen zusammen im großen Vorzimmer; es war seit vierzehn Tagen zum ersten Mal, daß der alte Herr wieder vorne speiste. Vor vierzehn Tagen ist seine Schwiegertochter vom Pferde gestürzt, hat sich das ganze Gesicht zerschellt, das Knie verletzt und eine Muskel verrenkt; sie muß noch das Bett hüten. Der Alte hat sie seit dieser Zeit noch nicht gesehen. Das macht denn keine kleine Störung für ihn, indem die junge Frau ihm haushält und für seine geselligen Erheiterungen sorgt. Unter diesen Umständen bin ich um so willkommener; die kleinen Schwierigkeiten waren bald überwunden, und wir leben schon auf demselben Fuß wie vor elf Jahren. Bei Tisch war die Schwester von Frau v. Goethe, Fräulein Ulrike v. Pogwisch.