1802, Juli (?). Bei August Lafontaine Reichardt hatte zu Lafontaine gesagt, daß er ihm in einigen Tagen einen Kaufmann aus Hamburg zuführen werde. Wirklich kam er dann mit einem Fremden zu ihm, den er durch einige unverständliche Worte vorstellte. Man ging in den Garten bei Lafontaine's Besitzung vor dem Thore. Den Fremden interessirte die lange Baumallee. Am Ende des Ganges blieb er stehen, betrachtete lange die Aussicht und sagte: selbst in Italien habe er eine solche Menge großartiger Gebäude, wie sich hier dem Blicke darstelle, nicht gesehen. Dadurch wurde das Gespräch auf Kunst und Alterthum gelenkt. Lafontaine hörte mit Erstaunen, wie voller Kenntnisse der Mann war. Das Interesse an denselben wuchs von Minute zu Minute. Lafontaine pflegte seine Besucher nicht nach ihrem Namen zu fragen, vielleicht weil die Leser seiner Romane, deren Kreisen die Besucher wohl meistens angehörten, nicht alle zum besten Publicum gehörten. Aber beim Abschied sagte er diesmal doch: »Mein Herr! Sie haben mir ein so großes Interesse eingeflößt, daß ich nicht unterlassen kann, Sie um Ihren Namen zu bitten.« – »Mein Name ist Goethe,« war die Antwort. »Mein Himmel!« rief Reichardt, »ich hab's Ihnen ja beim Eintreten gesagt.« Lafontaine erwiederte: »Was wollen Sie gesagt haben? Einen Kaufmann aus Hamburg haben Sie mir angemeldet und beim Eintreten haben Sie gar nichts gesagt, sondern nur etwas gemurmelt. Wenn Sie künftig Goethe anmelden, so sprechen Sie deutlich. Sie brauchen bloß seinen Namen zu nennen.«