1832, 3. März. Mit Karl Wilhelm Göttling In der alten Literatur zog ihn vorzüglich Euripides an, den er sehr schätzte. Das Fragment vom Drama ›Phaethon‹ interessirte ihn so sehr, daß er bei einem Besuch des Professor G[öttling] am 3. März eine abermalige Revision der Herstellung verhieß. Er sagte unter anderm: »Sie wissen, daß mir Hermann seine Ausgabe der ›Iphigenia‹ dedicirt hat. Es hat mich gefreut, auch darum, weil ihr Philologen in euren Urtheilen constant bleibt. Ich werde von ihm tenuem spiritum Grajae Camenae Germanis monstrator genannt, womit er fast scheint haben andeuten zu wollen, daß ihm Euripides nicht sehr hoch stehe. Aber so seid Ihr! Weil Euripides einpaar schlechte Stücke wie ›Elektra‹ und ›Helena‹ geschrieben und weil ihn Aristophanes gehudelt hat, so stellt Ihr ihn tiefer, als andere. Nach seinen besten Producten muß man einen Dichter beurtheilen, nicht nach seinen schlechtesten. Überhaupt seid ihr Philologen, obgleich Ihr einen gewissen unverächtlichen Geschmack habt und durch eure solide, stämmige Bildung immer einen großen Einfluß auf die Literatur behaupten werdet, doch eine Art Wappenkönige. Wie diese nur das für ein gutes Geschlecht halten, welches seit Jahrhunderten dafür gegolten hat, und wie sie z.B. meinen Stamm deshalb für einen schwachen halten würden, so thut Ihr es in der Literatur mit Euripides: weil der seit langer Zeit angefochten wird, fechtet Ihr ihn auch an. Und was für prächtige Stücke hat er doch gemacht! Für sein schönstes halte ich die ›Bakchen‹. Kann man die Macht der Gottheit vortrefflicher und die Verblendung der Menschen geistreicher darstellen, als es hier geschehen ist? Das Stück gäbe die fruchtbarste Vergleichung einer modernen dramatischen Darstellbarkeit der leidenden Gottheit in Christus mit der antiken eines ähnlichen Leidens, um daraus desto mächtiger hervorzugehen, in Dionysus.«