1791, 31. October. Mit Friedrich Schiller Goethe hat uns viel von Dir [Körner] erzählt und rühmt gar sehr Deine persönliche Bekanntschaft. Er fing von selbst davon an und spricht mit Wärme von seinem angenehmen Aufenthalt bei Euch und überhaupt auch in Dresden. Mir erging es mit ihm wie Dir. Er war gestern bei uns, und das Gespräch kam bald auf Kant. Interessant ist's, wie er alles in seine eigene Art und Manier kleidet und überraschend zurückgiebt, was er las, aber ich möchte doch nicht gern über Dinge, die mich sehr nahe interessiren, mit ihm streiten. Es fehlt ihm ganz an der herzlichen Art, sich zu irgendetwas zu bekennen. Ihm ist die ganze Philosophie subjectivisch, und da hört denn Überzeugung und Streit zugleich auf. Seine Philosophie mag ich auch nicht ganz: sie holt zu viel aus der Sinnenwelt, wo ich aus der Seele hole. Überhaupt ist seine Vorstellungsart zu sinnlich und betastet mir zu viel. Aber sein Geist wirkt und forscht nach allen Directionen und strebt, sich ein Ganzes zu erbauen – und das macht mir ihn zum großen Mann.