1796, December. (?) Mit Christoph Martin Wieland Neulich im Club.. gerieth Wieland in einen liebenswürdigen, mit etwas Possirlichkeit untermischten Eifer, daß die jungen Leute so viel Thee tränken, da doch Thee offenbar schwäche. Goethe (mit aufgehobenem Rockschooß am Ofen stehend und mit vorstrebender Brust sich hin und her bewegend): Da irrst Du, Herr Bruder; Thee stärkt. 1 Wieland: Wieder ein Paradoxon! G.: O, ich habe Gründe dafür genug und satt. W.: Um nur mit meinem schwächsten Argument anzufangen – G.: Das thue ja nicht, Herr Bruder, um's Himmelswillen nicht! Immer die stärksten voraus! Ich habe mich verzweifelt ausgerüstet. W.: Also erstlich wirst Du nicht läugnen können, daß trotz aller Deiner Sophisterei aufgekochte Kräuter von schädlicher Natur und laues Wasser – G.: Also der Thee schwächt, willst Du sagen? W.: Ja, doch ich – G.: Also, der Thee stärkt, sag' ich. W.: Und schwächt nicht? G.: Stärkt und schwächt. W.: Stärkt und schwächt? G.: Wie jedes Corroberans zu häufig genommen; man stärkt sich zu sehr. W.: Aber das Gift darin. G.: Es giebt kein Gift. W.: Ein neues Paradoxon? G.: Alles kommt auf die Dosis an. Auch Champagner kann Gift werden. W.: Am Ende wird der Sophist noch gar behaupten, wir stürben nicht. G.: Ei, das lassen wir so bleiben. W. (weggehend): Das wird zu toll! G. (ihm nachrufend): Geh nur, Alter! Sonst provocire ich auf unsre Unsterblichkeit und Du hast verloren. 1 In der Vorlage offenbar irrig: »schwächt.«