5/1156. An Charlotte von Stein Heute früh vor sechsen ist der Bote ab mit der Antwort auf Ihr gestriges, wahrscheinlich kommt dieses durch den Husaren früher, vielleicht zugleich. Der Tag ist schön heiter ich wünscht mir ihn übermorgen so. Heute beym Erwachen hab ich schon meine Andacht zu Ihnen gerichtet, und verlange sehnlich Sie wiederzusehn. Hier ist ein Brief von Lavatern an Knebel, er steht ganz von der Idee ab und kündigts ihm an. Durch Ihre Hand soll er die Nachricht seines Glücks erhalten, denn was wird dadurch nicht werther. Ich mögte Ihnen mein Leben, mich ganz hingeben um mit aus Ihren Händen mir selbst wieder zu empfangen. Es ist auch schon zum Teil so mit mir, und das ist was ich am liebsten an mir habe. Der Herzog hat mir Ihren Brief den der Husar brachte, bis iezt vorenthalten, und schickt mir ihn in 10 übereinander gesiegelte Couverts eingeschlossen herauf. Ich hatte schon der Hoffnung entsagt etwas von Ihnen zu sehn. Tausend Danck meine liebste. Es ist wahr offt wünsch ich Ihnen selbst mehr Zeit der Sammlung, und mag doch nichts von dem Theil hergebenden ich Ihnen raube. Also hoffe ich vergebens Sie und wenige auf den Freytag bey mir zu sehn, doch will mir Ihre Güte sich selbst behalten, ich nehms an weil ich glaube daß es kein Opfer ist, und nähm es auch vielleicht wenn es ein Opfer wäre. Adieu. Einen so schönen Morgen hoff ich bald mit Ihnen im Stern zuzubringen. Heut früh fang ich zum erstenmal an einige Unruhe zu spüren und ein Verlangen wieder bald bey Ihnen zu seyn. Der Flus läuft sanft und sachte, ie naher er ans Wehr kommt iegeschwinder ziehst. Grüsen Sie Knebeln und geniesen mit ihm die Erstlinge der Freude über seinen Gewinnst. Steinen, die Waldnern Lingen und die Kleine grüsen Sie, auch die Werthern und Seckendorfen. Frizzen nicht zu vergessen. Er hätte mir wohl einmal schreiben können. Tausendmal Adieu. [Neunheiligen] d. 13. März 81. früh 8te. G.