7/2166. An Charlotte von Stein Eben wollt ich mich gegen dich beklagen daß du mich so allein lassen magst, denn ich bin doch allein mit alle denen Menschen und mein Herz verzehrt sich in Sehnsucht nach dir. Die Fürstinn war kranck und es wollte die ersten Tage nicht gehen. Jetzt wird es etwas besser da sie auf der Abreise sind. Man hat mich gestern dazu gebracht daß ich meine Operette vorgelesen habe, und das hat sie sehr unterhalten. Es sind würcklich alle drey sehr interessante Menschen und es thut mir leid daß du sie nicht kennen lernest. Hemsterhuis besonders wäre für dich gewesen und man liest seine Schrifften gewiss mit mehr Interesse wenn man ihn kennt. Die Herdern ist gar gut mit der Fürstinn, das hält die Gesellschafft am besten zusammen. Fritz muß um den Donnerstag daseyn und ich wünschte herzlich du kämst balde, daß mich dein Mund deiner Liebe versichern könnte. Denn du musst mich sehr lieb behalten. Ich bin einigemal bis nach Mitternacht in den neuen Anlagen herumgegangen der Mond machte alles gar herrlich. Dieses Jahr werd ich nicht viel mehr mit dir spazieren können. Der Anfang des zweyten Akts ist komponirt angekommen. Er ist gar gut gerathen. Mit voller Musick habe ich den ersten noch nicht hören können. Ich dancke für deine Briefe. Stein geht mit Wedeln auf den Mittwoch zu dir. Ich bedaure dich und das deinige um des bösen Wetters willen. Die Endursachen sind dem Gemüthe zu dencken so nötig daß du aus den Nichtendursachen erst eine rechte End-Ursache machst Lebe tausendmal wohl. Ich liebe dich von ganzem Herzen. d. 25. Sept. 85. Was mag Blanchard gestern für ein Schicksal gehabt haben? G.