22/6140. An Joseph Anton Siegmund von Beroldingen Ew. Hochwohlgebornen haben mir durch Ihr freundschaftliches Schreiben ein ganz besonders Vergnügen gemacht. Es hat mich an jene gute alte Zeit erinnert, da ich das Glück ihres Umgangs und Zutrauens genoß, an jene Zeit die mit stets unvergeßlich bleiben wird. Der löbliche und schöne Vorsatz, durch eine Preisaufgabe junge Künstler aufzumuntern, ist mir ein neuer Beweis des Antheils, den Sie an Künsten und Wissenschaften von jeder genommen haben. Nur thut es mir herzlich leid, daß ich, in meiner gegenwärtigen Lage, Ihre edlen Wünsche nicht secundiren kann. Die Ausstellungen, welche hier jährlich zu ähnlichen Zwecken einleiten, haben seit 1805 aufgehört. Den Sommer über bin ich meist abwesend, und der Winter ist von so mancherley Besorgungen und Geschäften überdrängt, daß ich nicht gern eine neue Obliegenheit auf mich nehmen möchte, besonders eine solche, die mit Hin- und Wiedersendungen und also auch mit Einpacken und Spediren begleitet seyn würde. Auch eine Erweiterung meiner Correspondenz habe ich alle Ursache zu vermeiden. Ew. Hochwohlgebornen verzeihen daher, wenn ich einen für mich und meine nächsten Kunstfreude so ehrenvollen Auftrag ablehne, und lassen mir die Hoffnung, daß ich dabey von Ihrer Gunst und Neigung nichts verliere. Höchst angenehm war es mir, zu erfahren, daß Ew. Hochwohlgebornen aus dem großen Schiffbruche doch so manches gerettet, und so vieles um sich haben, wodurch das Leben genußreich wird. Möchte es Ihnen erhalten werden, und ich noch lange vernehmen, daß Sie bey guter Gesundheit sich in einer so stürmischen und unruhigen Zeit derjenigen Güter erfreuen, die eigentlich nur Früchte des Friedens sind. Durchlaucht der Herzog erwiedern Ihr freundliches Andenken auf das allerbeste und schönste, und ich empfehle mich angelegentlichst einem fortdauernden Wohlwollen. Ew. Hochwürden Weimar ganz gehorsamster Diener den 3. May Goethe. 1811.