26/7211. An Georg Moller Ew. Wohlgeboren haben mich durch die Sendung der beyden ersten Hefte Ihres schätzbaren Werks auf's angenehmste überrascht, indem ich nicht glaubte, daß die Arbeit schon so weit vorgerückt sey. Es ist höchst verdienstlich darauf hinzuwirken, daß uns der Kunstwerth jener alten würdigen Gebäude, auf historischem Wege, bekannt und deutlich werde, und daß die deutsche Welt sich zugleich überzeuge, wie gefährlich es sey, die Geister der vorigen Jahrhunderte in die Wirklichkeit hervorrufen zu wollen. Daß Sie Sich hierüber in Ihner Vorrede so deutlich ausgedrückt, weiß ich Ihnen recht viel Dank, und werde nächstens Gelegenheit finden, mich über diesen wichtigen Punct gleichmäßig zu äußern, nicht weniger der so glücklich begonnenen Unternehmung gebührend zu gedenken. Ich darf wohl hoffen, daß Sie mir einen Abdruck der ersten Platte des Facsimile, sobald sie fertig ist, gefällig übersenden. Es war ein großer Fund, der, so wie alles was für den Cölner Dom geschieht, nicht genugsam zu schätzen ist. Wir haben denn doch nunmehr ein Musterbild, wie die Einbildungskraft geregelt, ja begründet werden kann, und sind in dem Falle, die willkürlichen Abweichungen derselben innerhalb des gegebenen Kunstkreises zu beurtheilen, und wir werden uns künftig nicht mehr aus dunkler, patriotischer Vorliebe für etwas entzücken, was tadelhaft ist. Auch ich wünschte zu diesem löblichen Zwecke das Meinige beyzutragen. Vielleicht kann ich Ew. Wohlgeboren in Erwiderung bald etwas von meiner Arbeit senden. Denn ich beabsichtige gleichmäßig die Verdienste der ober- und niederrheinischen Mahlerschulen und ihre Eigethümlichkeiten dergestalt auseinander zu setzen, daß es leichter werde, sich der dunkeln Prävention zu entziehen und demjenigen mit freyer Einsicht Ehre zu geben, dem sie gebührt. Uns und allen Freunden, denen diese löbliche Sache am Herzen liegt, alle Förderung wünschend ergebenst Weimar den 10. Novbr. 1815. J. W. v. Goethe.