3/488. An Charlotte von Stein Ich hab auf der andern Seite angefangen was zu zeichnen es geht aber nicht drum will ich lieber schreiben in der Höhle unter dem Hermannstein meinem geliebten Aufenthalt wo ich möcht wohnen und bleiben. Liebste ich habe viel gezeichnet sehe nur aber zu wohl dass ich nie Künstler werde. Die Liebe giebt mir alles und wo die nicht ist, dresch ich Stroh. Das mahlerischte Fleck geräth mir nicht, und ein ganz gemeines wird freundlich und lieblich. Es regnet scharf im tiefen Wald. Wenn du nur einmal hier seyn könntest es ist über alle Beschreibung und Zeichnung. Ich hab' viel gekrizzelt seit ich hier bin, alles leider nur von Auge zur Hand, ohne durchs Herz zu gehen, da ist nun wenig draus worden. Es bleibt ewig wahr: Sich zu beschräncken, Einen Gegenstand, wenige Gegenstände, recht bedürfen, so auch recht lieben, an ihnen hängen, sie auf alle Seiten wenden, mit ihnen vereinigt werden, das macht den Dichter den Künstler – den Menschen – Addio, ich will mich an den Felsenwänden und Fichten umsehn. – Es regnet fort – Hoch auf einem weit rings sehenden Berge. Im Regen fizz ich hinter einem Schirm von Tannenreisen. Warte auf den Herzog der auch für mich eine Büchse mit bringen wird. Die Thäler dampfen alle an den Fichtenwänden herauf. (NB. das hab ich dir gezeichnet) In der Höhle unter dem Herrmanstein 22. Juli 1776. [Weimar] den 24. [Juli 1776.] Ich muss das schicken. vorgestern schrieb ich das Addio. Dachtest du an mich wie ich an dich dencke! Nein ich wills nicht! – Will mich in der Melankolie meines alten Schicksaals weiden, nicht geliebt zu werden wenn ich liebe.