6/1579. An Charlotte von Stein d. 10ten Abends. Du mußt die beyden letzten Tage bemerckt haben daß ich nicht ganz bey dir war. Ich fand mich in einen unangenehmen Handel verflochten, eigentlich von keiner Bedeutung, aber nach meiner Art Sachen an einander zu knüpfen, und Entschliesungen auf die Spitze zu stellen, von Folgen die sich nicht übersehen liesen. Ich habe mir nicht nachgesehn, mich so wacker als möglich gehalten, das Glück hat mich begünstigt und alles ist abgethan. Der erste freye Augenblick war Sehnsucht nach dir, und ich fühlte erst daß du weg warst, schickte dir tausend Gedancken nach und erfreute mich deines daseyns auch in der Ferne. Der Abend war köstlich im Thale. Um sechse ritt ich auf Tiefurt, wo Schlick spielte, Villoison schwätzte, und übrigens iedes sich nach seiner Art verhielt. Bey Tische saß ich neben der Gräfinn und redete einmal laut für mich. Sie sah mich steif an und sagte was rechnen Sie? Sie mogte gehört haben als spräch ich Zahlen aus. Nun Gute Nacht. Hier die schönsten Ballen von der Welt. Addio tausendmal Geliebteste. G.