49/63. An Adele Schopenhauer Ich will nicht länger anstehen zu vermelden daß die franzäsische Übersetzung des bedeutenden Werks über den Schatz der drey Könige glücklich angekommen, zugleich mit den eingelegten Abdrücken einiger Kupferstiche von Lucas von Leyden. Wie ich nun für Mittheilung des Ersteren den schönsten Dank sage, so werde ich wohl bey Rücksendung desselben auch genannte Kupfer mit einschließen. Ich würde es nicht thun und vielleicht etwas Angenehmes dagegen besondern Werth darauf zu legen scheint, so möchte bey dem besten Willen meine Gegengabe zu kurz fallen. Denn für einen eigentlichen Liebhaber sind diese Blätter von wenigem Werth, schwache Abdrücke und nicht einmal gut gehalten; man hätte keine Ehre davon bey'm Vorzeigen an Kenner, wenn man sich auch selbst wohl damit begnügen wollte. Verzeichen Sie diese aufrichtige Erklärung, warum soll man in solchen Fällen nicht sagen wie die Sache beschaffen ist? Erzählen Sie mir viel von sich und der Frau Mutter, hiezu will ich Sie aufmuntern, indem ich von mir vermelde: daß ich sechs Tage auswärts war, in Ilmenau, bey einem außerordentlich schönen, dieses Jahr seltener Wetter. Dort befuhr ich auf neuerrichteten Chausseen die sonst kaum gehbaren Wege, freute mich an den Lindenalleen, bey deren Pflanzungen ich vor 50 Jahren zugegen war. Gute damalige Zeitgenossen hatten gealtert, die Spuren mancher Thätigkeit waren verschwunden, anders, weder zu Erwartendes noch zu Ahnendes, hatte sich entfaltet. Genug! das alles war durch einen leidlichen Weltlauf von gescheiten und klugen Menschen recht hübsch geordnet in's Leben geführt und wohlerhalten. Besonders erfreuen die hundertjährigen Fichtenwände, schwarzgrün und düster, von der heitersten Mittagssonne kaum Notiz nehmen. In einiger Entfernung junge, von allen Jahren heranwachsende Reviere, welche ihr helles Gelbgrün auch bey trübem Himmel unserm Augen entgegenzuschicken nicht versagen. Hab ich Sie nun einen Augenblick in das mittelländischste Mittland gerufen, so besuche ich Sie nunmehr in Gedanken am hellen Rhein, wo Sie gewiß mit einigem Zwiespalt in sich selbst sind: ob es wohl räthlich sey gegen Nordosten zu ziehen? wo die asiatische Hyäne uns täglich näher die gräßlichen Zähne weis't. Hier kann niemand dem andern rathen; beschließe was zuthun ist jeder sich. Im Islam leben wir alle, unter welcher Form wir uns auch Muth machen. Mir geht es ganz gut; Ottilie und die Kinder sind allerliebst und die vielem Fremden, die bey mir vorbeygehen, machen mir den umgekehrten optischen Betrug, als wenn ich mich selbst vom Platz bewegte. Gar vieles wäre zu sagen; doch sey es für dießmal genug hinzuzufügen: daß ein höchst vorzüglicher Mann, einer meiner geprüftesten Freunde und Mitarbeiter, der Geh. Ober-Regierung-Rath Schultz sich von Wetzlar nach Bonn versetzt. Möge das ewige Gesetz der sittlichen Wahlverwandtschaft auch Sie mit dieser werthen Familie zusammenbringen und so fortan! treulichst Weimar den 19. September 1831. Goethe.