40/201. An den Senat der freien Stadt Frankfurt Einem Hohen Senat Verehrung und Vertrauen! Niemand wird läugnen, daß demjenigen ein besonderes Glück zugedacht sey, der sich gern und mit Freuden seiner Vaterstadt erinnert. Mir ist es geworden, indem ich mich rühmen darf, durch Geburt einer der vier Städte anzugehören, welche ihre Freyheit von den ältesten Zeiten her bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Gewiß ist kein schönerer Blick in die Geschichte, als derjenige der uns belehrt, wie die Städte des nördlichen und südlichen Deutschlands, durch Thätigkeit, Rechtlichkeit, Zuverlässigkeit die bedeutendsten Körper gebildet und sowohl über dem Meere als über den Bergen, indem sie Leben und Handel verbreiteten, sich die größten Vortheile zu sichern wußten. Daher ist solchen Corporationen anzugehören für den denkenden und fühlenden Menschen von der größten Wichtigkeit, und er ehrt sich selbst, wenn er auszusprechen wagt, daß er des treuen biedern Sinnes seiner frühesten Stadtgenossen sich, auch entfernt, unter den mannichfaltigen Umständen und Bedingungen nicht unwerth zu erweisen das Glück hatte, ja, wenn man ihm das Zeugniß nicht versagt, daß er den gemäßigten Freysinn, eine rastlose Thätigkeit und geregelte Selbstliebe, wodurch seine Mitbürger auszeichnet sind, an sich in den vielfältigsten Lagen zu erhalten getrachtet hat. Nehmen deshalb die Hochverehrten freyen Städte, deren jede ich mit der Empfindung eines Mitbürgers betrachten darf, meinen verpflichteten Dank, daß sie durch ein entschieden ausgesprochenes Privilegium mir und den Meinigen die ökonomischen Vortheile unablässig bemühter Geistesarbeiten haben zusichern wollen. Darf ich nunmehr mit der Hoffnung schließen, daß diese glückliche Einleitung auch künftig andern Mitgenossen der literarischen Welt zu Gute kommen werde, so empfinde den Vorzug doppelt mich eben so getrost als verehrend unterzeichnen zu können. Eines hohen Senats ganz gehorsamster Diener Johann Wolfgang v. Goethe. Weimar den 13. Januar 1826.