47/65. An Adolphe Lambert Jaques Quetelet Denken Sie nicht, mein werthester und hochgeschätzter Herr, daß mein bisheriges Schweigen eine undenkbare Vergessenheit andeute; vielmehr bin ich mit den Meinigen jener Tage freudig eingedenk, die Sie mit Ihrer theuren Gattin, Ihre Reise verzögernd, bey uns zubringen wollten. Mir ist Ihre Theilnahme an den Erscheinungen, die ich verführte, an meiner Art, sie anzusehen und zu ordnen, von der größten Wichtigkeit geworden; jene hab ich mit mehr Aufmerksamkeit zu betrachten fortgefahren und diese sorgfältiger zu behandeln gesucht. Nicht weniger haben mir die übersendeten Bücher viel genutzt, indem ich mir daraus gar manches im Zusammenhang zueignen, auch durch Prüfung der darin erhaltenen Grundsätze meine eigene Vorstellungsart näher beurtheilen lernte. Der junge Mann, Herr Rollin, der uns von Ihrer Seite kam und uns Ihres Andenkens versicherte, war freundlichst willkommen, und ich darf hoffen, daß er sich der kurzen Zeit, die er bey mir und meiner Tochter zubrachte, mit Vergnügen erinnern werde. Die Nachricht, daß Sie nach Italien zu gehen gedächten, war mir theils für Sie, theils auch darum sehr angenehm, da ich hoffen konnte, mein Sohn, der eben dahin den Weg nahm, werde Sie daselbst antreffen. Desto unerfreulicher war mir die Nachricht, ein trauriges Ereigniß habe Sie von einer so gewünschten Reise leider abgehalten. Meine gute Tochter empfiehlt sich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin zum allerbesten, mit der Versicherung, daß die erfreuenden und belehrenden Tage, die Sie uns gegönnt, die anmuthigsten Erinnerungen bey uns zurückgelassen. Leben Sie recht wohl und geben uns manchmal, durch einen bedeutenden Reisenden, von einem fortdauernden Andenken und einer unverwelklichen Neigung das erwünschte Zeugniß! In vorzüglicher Hochachtung ein treu anhänglicher Weimar den 24. May 1830. J. W. v. Goethe.