19/5231. An Philipp Otto Runge Jena den 22. August 1806. Auf Ihren gefälligen Brief vom 3. July erwiedre ich sogleich nach meiner Rückkehr aus Carlsbad, daß er mir ein ganz besonderes Vergnügen gemacht hat. Denn wie nur dadurch eine sichre Schiffahrt nach allen Weltgegenden möglich ist, wenn man sich über die Weltgegenden selbst und über die andeutenden Nadeln vereinigt hat; so ist es auch in der Kunst. Ein jeder nehme die Richtung, die ihm der Geist eingiebt; aber er wisse wohin, und mit was für Mitteln er seine Fahrt einrichtet. Nicht wenig Freude war mir's zu sehen, daß Ihre Absichten der Farben völlig mit den meinigen übereintreffen. Mehrere Stellen mit Ihres Aufsatzes werden Sie beynahe wörtlich in meiner Abhandlung finden, zu andern den Commentar, und von mehreren wünschte ich, mit Ihrer Erlaubniß, Gebrauch zu machen, weil ich dasjenige, wovon ich mit Ihnen überzeugt bin, nicht besser auszudrücken wüßte. Ich werde mit mehr Lust und Muth die Redaction meiner Arbeit fortsetzen, weil ich in Ihnen nunmehr einen Künstler kenne, der auf seinem eigenen Wege in die Tiefe dieser herrlichen Erscheinung eingedrungen Ist. Mehr sage ich heute nicht, damit der Brief nicht verweile, und wünsche Ihnen die Fortsetzung Ihres genossenen Wohlbefindens so wie des Glücks in Ihren Arbeiten. Lassen Sie von Zeit zu Zeit etwas von sich hören, bis die Herausgabe meines Werkes uns zu weitern, wechselseitigen Äuserungen aufruft. Goethe.