9/2870. An Samuel Thomas von Sömmerring Sie haben mir durch Ihr Werk über den Bau des menschlichen Körpers ein sehr angenehmes Geschenk gemacht. Es kommt in dem Augenblick da ich sehr zerstreut und im Begriff bin auf einige zeit zu verreisen. Die erste ruhige Zeit die ich vor mir sehe, werde ich dazu verwenden Ihr Werk zu studiren und mich Ihrer Bemühungen zu erfreuen. Gewiß wird es mich aufmuntern verschiedene Abhandlungen, die ich vorigen Winter zu schreiben angefangen, fortzusetzen und vielleicht zu vollenden, und diese Arbeit wird mir auch in der Ferne eine angenehme Unterhaltung mit Ihnen sein. Wie oft, indem ich Ihre frühern Schriften las, denen ich so manche Belehrung schuldig bin, habe ich Sie glücklich gepriesen, daß Ihr Beruf Sie zur Untersuchung des thierischen Gebäudes führt, und daß es Ihre Pflicht ist, der Betrachtung desselben Ihr Leben zu widmen. So oft ich mich von andern Gegenständen losmache und diesen näher und genauer betrachte, so entsteht immer in mir der lebhafteste Wunsch, mich ausschließlich damit beschäftigen zu können. Ich bin überzeugt, daß diese Ihre letzte Arbeit, wie Ihre vorhergehenden, einen Mann bezeichnen, der über den Gegenstand denkt, welchen er behandelt, und der eben deswegen das Verworrene klar, und das Trockene angenehm vorzutragen im Stande ist. Sie sind in einem Lande zu hause, das ich nur manchmal als Gastbesuche, und ich wünsche, daß meine Bemerkungen, die ich gleichsam nur erhasche, in der Folge für Sie von einigem Werth sein mögen. Ich wiederhole meinen Dank für das Überschickte und empfehle mich zu geneigtem Andenken. Weimar am 31. Mai 1791. Goethe.